Bochum. Open-Air-Theater mit Tribüne am Schauspielhaus Bochum: „Hoffen und Sehnen“ von Akin Emanuel Şipal feierte eine laute, bunte, bildstarke Premiere.
Warum nicht einfach Shakespeare? Genügend Zutaten fürs lauschige Sommertheater unter freiem Himmel sind ja vorhanden. Die riesige Zuschauertribüne auf dem Hans-Schalla-Platz bietet Platz für 400 Menschen in bester Laune, dahinter bildet das stolze Bochumer Schauspielhaus die perfekte Kulisse. Fehlt nur noch die vom Balkon grüßende Julia – und der Spielplan-Renner wäre locker eingetütet.
Doch auf Nummer sicher zu gehen ist nicht der Anspruch, seitdem Johan Simons in Bochum das Zepter führt. Auch „Hoffen und Sehnen“, der erste Versuch eines Open-Air-Spektakels unter der Regie von Liesbeth Coltof, ist zwar eine schwungvolle, zeitkritische und reichlich bunte, aber auch nachdenklich stimmende Veranstaltung. Die Gags werden eher zaghaft abgeschossen, dafür überzeugen die knapp 30 Darsteller (darunter viele Laien) und eine klasse aufspielende Band mit Herz und Hingabe.
Aus der Feder des Essener Autors Akin Emanuel Şipal
Das Stück stammt aus der Feder des Essener Autors Akin Emanuel Şipal, der darin die harten Lebenswege polnischer und türkischer Migranten beschreibt. Auf der Bühne von Guus van Geffen kreuzen sich rund ein halbes Dutzend Geschichten: Da wäre etwa Halil (Leòn Ali Çifteci), der als türkischer Einwanderer bei Opel den Rücken krumm gemacht hat und jetzt als gebeugter alter Mann im Rollstuhl sitzt. Oder die junge Polin Minka (Daria Bak), die von einem Leben in der Ferne träumt, während ihre Mutter (Karin Moog) die Vorzüge des Ruhrgebiets anpreist: „Bochum ist stark im Kommen“, ruft sie. „Bochum ist das neue Leipzig!“
Dazu arrangiert Şipal eine Reihe reiner Denkfiguren, und es dauert eine Weile, bis man mit ihnen warm wird. Vor allem lässt er die Stadt Bochum höchstselbst in Gestalt der Schauspielerin Romy Vreden auftreten, die majestätisch Einzug hält und dabei ein etwa fünf Meter langes Kleid mit diversen Bochum-Motiven trägt. Irritierend gestalten sich auch die Rollen der beiden Narren: „Hoffnung“ (Mercy Dorcas Otieno) und „Sehnsucht“ (Jordy Vogelzang) begleiten die Aufführung mit scharfer Zunge. Wohl noch nie in einer Aufführung hat man so oft das Wort „Bochum“ gehört: Das mag man auch anbiedernd nennen.
Energischer Protest gegen die Schließung des Opel-Werks 2014
In dem weit über zweieinhalbstündigen Spiel (mit einer Pause) wird eine Menge untergerührt: vom Generationenkonflikt bis zur NS-Zwangsarbeit. Die vielen kurzen Szenen, die eine schlüssige Linie bisweilen vermissen lassen, springen quer durch die Jahrzehnte. Eindrucksvoll gerät der energische Protest gegen die Schließung des Opel-Werks 2014. Heute stehen die Seilscheiben der Zechen ebenso still wie die Fließbänder: „Ich bin keine Bergarbeiterstadt mehr“, sagt Königin Bochum und propagiert das neue, weltoffene Leben, der Zukunft zugewandt.
Zwischen Malocherromantik und den Fortschrittsgedanken unserer Tage kann sich die Aufführung nicht so recht entscheiden. Regisseurin Coltof, die mit ihrer Inszenierung der „Unendlichen Geschichte“ von Michael Ende große Erfolge feierte, ist allerdings klug genug, ihrem Freilufttheater so viele Schauwerte zu geben, dass die dramaturgischen Schwächen nicht weiter ins Gewicht fallen. Vieles an diesem Abend wirkt überlebensgroß: Es gibt riesige Puppen aus Pappmaché, die schönen Songs triefen vor Emotionen – und das Ensemble gibt beständig Vollgas. Der lautstarke Beifall dürfte noch bis weit hinterm Hauptbahnhof zu hören gewesen sein.
Termine: täglich 21. bis 26. Juni. Karten: Tel. 0234 / 33 33 55 55.