Recklinghausen. Verneigung vor Philipp Glass, doch auch ein Abend über das Ich und seinen Weg zur Kunst: Phelim McDermotts „Tao of Glass“ bei den Ruhrfestspielen.
Wie ein großer Kreativer zur Kunst findet? Zur Not durch den Zuschauerraum. Der krumm holpernde Kauz, den mancher zunächst für einen chronischen Zuspätkommer hielt, eroberte Sekunden später die Bühne und wird sie weit über zwei Stunden regieren.
Recklinghausens Ruhrfestspiele hatte Phelim McDermott zu Gast. Der 58-jährige Universal-Praktiker (Schau-, Puppenspieler und Regisseur) wiederum verliebte sich schon als Knabe in die rätselhaften Endlosschleifen der Minimal-Music Ikone Philipp Glass (85). Später begegnen sie einander, arbeiten zusammen. Der Abend „Tao of Glass“ ist ein Echo dieses Verhältnisses. Tao (Dao)heißt auch Weg - und wer McDermotts Kunst kennt, nicht selten zwischen intellektueller Clownerie und dem Bermuda-Dreieck der Transzendenz irrlichternd, wunderte sich nicht, dass auch diese deutsche Erstaufführung im nahezu leeren Raum vorsätzlich grenzenlos war.
Phelim McDermott mit „Tao of Glass“ bei den Ruhrfestspielen
McDermotts Solo, dem sieben Musiker und Puppenspieler so dezent wie souverän den Rahmen schenken, ist autobiografisches Stationendrama und vom großen Atem der Sinnsuche getriebene Performance in einem. Die Nacktheit der Bühne (Ausstattung Fly Davis), von der so mannigfaltig Funken sprühen, die uns am Lagerfeuer des Zuhörens halten, ist ein Szene gewordener Appell an Vorstellungskraft, auch an jene Kreativität, die wir aus dem Parkett beisteuern müssen. Rar die Szenen, in denen kleine große Flügel und reichlich Notenpapier der Illustration von Anekdote und Meditation dienen. In seinen Geschichten vom eigenen Leben, vom Arbeiten mit Maurice Sendak und Glass lässt McDermott das Leben und die Wege zum Kreativen vorüberziehen. Satt an Humor, auch an listigen kleinen Spitzen über den Kunstbetrieb.
Ein Clown, der nah am Abgrund spielt
Aber eben auch nah an einem Abgrund, der uns auf die Probe stellt. Wenn McDermott minutenlang als bewegungsloser Komapatient auf der Drehbühne still liegend kreist, allein von Glass’ Ostinato-Klängen getragen, ist das Publikum auf sich selbst zurückgeworfen, sehr konzentriert übrigens am Premierenabend, sehr still.
Die Produktion war von Intendant Kröck sehr gepriesen worden. Vielleicht ein wenig zu sehr. Es ist ein guter Abend, ein sehr gekonntes, recht altmodisch aufgefächertes Kammerspiel, das im großen Festspielhaus vielleicht nicht ideal zu der Intimität fand, die es verdient.
Zu sehen noch heute und morgen auf dem Grünen Hügel in Recklinghausen