Düsseldorf. Deftiger Spaß, aber doch listig in unsere Zeit geführt. Robert Gerloff inszeniert unter freiem Himmel den „Diener zweier Herren“ in Düsseldorf.

Mit dem am Düsseldorfer Schauspielhaus recht neu erfundenen Spektakel des „Open Air“ geht es zweifellos bergauf. Im Vergleich zum letzten Jahr waren es Samstag bei der Premiere schon zehn Grad mehr! Nun sind auch 18 noch kein Grund, vom Verona Nordrhein-Westfalens zu sprechen, aber ein Hoffnungsschimmer gewiss.

Decken, Mützen, powärmende Styroporplättchen: Theater und Publikum tun fast alles, dabei zu sein. Es wird ihnen im 2022er-Jahrgang auf charmante Weise vergolten: Robert Gerloff, der dem Theater schon einen mitreißenden „Tartuffe“ bescherte, hat seine Hausaufgaben gemacht. Er weiß, dass an dem Ort, wo das Theater endlos wirken muss – ohne Dach über den Köpfen, ohne den Schutz des alten Guckkastens – andere Gesetze walten, erst recht in einer Komödie wie Goldonis „Diener zweier Herren“. Der Witz darf eine Idee platter sein, um in der letzte Reihen zu zünden, die Pose überdimensioniert. Und so lässt Gerloff sein satt auftrumpfendes Ensemble wie eine Truppe Spielzeugkomödianten auf die Bühne purzeln. Sie zappeln und zucken, sie tanzen (Choreographie Zoë Knights) und marschieren: Es bleibt kein Quadratzentimeter auf Maximilian Lindners Bühne unerobert.

Zupackendes Komödientheater: „Der Diener zweier Herren“ Open Air in Düsseldorf

Die füllt den Gustaf-Gründgens Platz mit neun sacht auf und absteigenden Spielpodien, stolzen 18 Türen. Dahinter: mindestens 36 Fenster – und über allem das stolze Schauspielhaus, das der titelgebende Diener Truffaldino bis in die obere Etage erklimmt. Oder sieht es nur so aus? Gerloff treibt das Doppelgängermotiv der Commedia dell’arte auf die Spitze, vervielfacht die Strippenzieher. Dazu hat er ein Füllhorn schönsten Blödsinns im Inszenierungsgepäck, oft den Raum weit über die eigentlich Bühne nutzend. Da haben Hänsel und Gretel den Abknick von der Schadowstraße gemacht, um nach dem Weg zu fragen, da saust radelnd der Lieferservice „Alessandro“ an uns vorbei – und die Eisdiele nebenan dient Papi-Söhnchen Silvio Lombardi als Zufluchtsstätte vor der schlechten Welt.

Es gibt Blasmusik und Pizzaboten auf dem Radl

Gerloff versucht sicher nicht, krampfhaft mehr in diesem Schwank um Liebe, Geld und Standesdünkel hineinzulesen als er bietet. Aber der Regisseur ist so klug zu wissen, dass man nach bald 300 Jahren doch ein paar Kohlen drauflegen muss. Er schenkt den Handlungsträgern eine Handvoll durchtriebener Couplets, der witzige Retro-Sound von Imre Lichtenberger Bozoki verschafft auch schwächeren Szenen pulsenden Rhythmus und wackere Blechbläser kommentieren das wankende venezianische Lügengebäude lippenzwinkernd.

In herrliche Kostüme eingepuckt gibt das Ensemble lustvoll Gas

Das Ensemble belustigt schon, ohne den Mund aufgemacht zu haben: Cáthia Palmina hat sie allesamt eingepuckt in Puppen-Kostüme, die sich klar vor der Tradition verneigen, aber zugleich lustvoll ins aufgeblasen Parodistische schlagen. Und sie alle kosten es aus. Stellvertretend für alle Neune genannt: Andreas Grothgar legt den Pantalone als famos verrenkten, lirezählenden Weißclown hin, dass es die reine Freude ist. Judith Bohles Beatrice füll die dicke Macho-Rolle genüsslich mit doppeltem Hosenboden. Kilian Ponerts Diener ist ein unwiderstehlicher Zappelphilipp, ein Meisterschüler Marcel Marceaus dazu: Wie er auf der requisitenfreien Bühne monströs schwere Koffer schultert, da schenkt uns ein junger Schauspieler ein Kabinettstück ganz alter Schule.

Wenn jetzt noch die Temperaturen steigen, hat das Haus einen Renner auf dem Spielplan. Avantgarde ist das sicher nicht; in lauen Sommernächten pfeifen wir allzu gern darauf.

Termine und Karten: www.dhaus.de