Essen. „Unlimited Love“ ist nach sechs Jahren Pause das beste Album der Red Hot Chili Peppers seit langem. Mit dem neu-alten Gitarristen John Frusciante.
Das schwerste Hindernis, dem sich Anthony Kiedis, Flea und Chad Smith zu stellen hatten, als sie schon dabei waren, an ihrem zwölften Studioalbum „Unlimited Love“ zu feilen, war die unangenehme Frage: „Wie sagen wir es Josh?“ Wie es also Josh Klinghoffer sagen, dass sie ihn nach zehn Jahren, in denen er tadellose Dienste als Gitarrist verrichtet hatte, künftig nicht mehr benötigen würden. Weil sie sich nämlich mit Klinghoffers Vorgänger einig waren, dass er auch dessen Nachfolger wird. „Ich hatte so viel Bammel vor dieser Bandbesprechung, dass ich aus Versehen das Garagentor aufs Autodach knallen ließ“, bekannte Bassist Flea.
Doch der Geschasste trug die Nachricht, dass sein Platz mit sofortiger Wirkung wieder von John Frusciante eingenommen wurde, mit Tapferkeit. „Ich bin froh, dass er mit den anderen vereint ist“, gab Josh zu Protokoll und klangt dabei ein wenig wie ein Mann, der erkennen muss, dass es die richtige Entscheidung seiner Ehefrau war, wieder zur Jugendliebe zurückzukehren.
„Blood Sugar Sex Magik“, „Californication“ oder „Stadium Arcadium“
Denn es ist ja wirklich nicht abzustreiten: Die Peppers-Alben, die in den vergangenen gut drei Jahrzehnten mit Frusciante (52) an der Gitarre entstanden – etwa das „Under The Bridge“ und „Give It Away“ enthaltende Jahrhundertwerk „Blood Sugar Sex Magik“ (1991), „Californication“ (1999) oder „Stadium Arcadium“ (2006) – sind ihre besten.
Der eigenbrötlerische Gitarrist, zwischendurch stark den Drogen und zuletzt auch ein wenig dem Okkultismus verfallen, aber momentan wohl auf der Höhe, bringt diese grandios lässige Verspieltheit in den Sound der Chili Peppers ein. Oder, wie Flea es formuliert: „Mit John sprechen wir dieselbe Sprache.“ 2019 war die Wiedervereinigung schließlich fix, und die Arbeit an „Unlimited Love“, die bis dahin eher schlaff vonstattenging, bekam den entscheidenden Auftrieb. „Wir haben während der Corona-Zeit über fünfzig Songs geschrieben“, rekapituliert Kiedis. 17 davon, verteilt auf eine Spielzeit von fast 70 Minuten, finden sich auf dem neuen Album, für dessen Produktion ein weiteres Mal Bandspezi Rick Rubin verantwortlich zeichnete.
Im Dickicht einer gewissen Selbstverliebtheit
„Unlimited Love“ ist ein üppiges Füllhorn der exquisiten Chili-Peppers-Kunst. Die Grundstimmung der Platte mag eher etwas zurückgelehnter und chilliger Natur sein, in Sachen Komposition und Experimentierfreude jedoch enttäuscht die Band nicht. Die vier sind verspielt wie junge Kater, sie jammen, grooven und harmonieren so sonnig, dass es – im Großen und Ganzen – eine Wonne ist.
Musikalisch ist das Album erste Liga, jedoch verheddern sich die Groove-Götter aus Kalifornien gelegentlich im Dickicht einer gewissen Selbstverliebtheit. „Aquatic Mouth Dance“ oder „White Braids & Pillow Chair“ etwa dudeln einigermaßen ereignislos vor sich hin. Bei aller Liebe also: Grundsätzlich mangelt es „Unlimited Love“ an dieser flirrenden Aufgeregtheit früherer Tage. Die Platte wirkt etwas zu oft wie eine vertonte Duftkerze.
Sonderlob für John Frusciantes Gitarre
Aber dann wird der Ruhepuls doch wieder hochgejagt. Das rhythmisch starke „Here Ever After“ wird von Flea und Chad Smith an Bass und Schlagzeug zu einer ansteckenden Groove-Fulminanz getrieben. Auch das charmante, an Punk und Seventies-Rock erinnernde „Bastards Of Light“ oder die stadiontaugliche Uptempo-Nummer „One Way Traffic“, bei dem Anthony Kiedis damit kokettiert, alt und öde zu werden, sind von gedeihlicher Güte und nicht frei von Selbstironie. Immerhin musste der Frontmann neulich noch in Seenot aus der Brandung vor Malibu gezogen werden. Ganz nett, verführerisch und vom Frauenfreund Kiedis recht zärtlich gesungen sind die langsamen Stücke „Veronica“ und „Tangelo“. Auf „Not The One“, der Großballade des Albums sowie zugleich der neuen Single, kommt Kiedis ein bisschen der Kitsch in die Quere.
Ein Sonderlob aber geht an John Frusciante. Der Gitarrist sorgt mit seinen Soli wiederholt dafür, dass manche bekifft beginnende Nummer wie „These Are The Ways“ oder „The Heavy Wing“ nach hinten raus richtig hart, auch mal etwas verzerrt und dynamisch wird. Ein echter Grund zur Freude.