Gladbeck. Elf großformatige Bilder des Malers und Gerhard Hoehme (1920-1989) in der neuen Galerie Gladbeck sind ein intensives sinnliches Erlebnis.
Und mit einem Mal ist Gerhard Hoehme wieder da. Im Erweiterungsbau der Duisburger Küppersmühle, der im vergangenen Herbst eröffnet wurde, bespielen Hoehmes Werke (aus der Sammlung Ströher) ganze Räume fast im Alleingang – und nun widmet ihm auch die Neue Galerie in Gladbeck eine kleine, extrafeine Schau.
Es sind Bilder aus dem Spätwerk des 1989 in Neuss gestorbenen Akademie-Professors, der ein Jahr älter war als sein ungleich bekannterer Kollege Joseph Beuys und wie der den Krieg bei der Luftwaffe überstanden hatte, allerdings völlig andere Konsequenzen aus seinen Erfahrungen zog. Wo Beuys die Kunst zum Motor für die Gesellschaft machen wollte, vertraute Hoehme nur noch auf die Authentizität des individuellen Ausdrucks. Wandte sich im Bemühen um Ideologiefreiheit der abstrakt-gestischen Malerei, dem Informel zu, entwickelte aber dann, hier schon wieder Beuys verwandt, einen ganz eigenen Sinn für die Materialität seiner Leinwände, sprengte die Zweidimensionalität seiner Bilder auf, indem er Schnüre verarbeitete oder die Bilder mit Farbtöpfen auf dem Fußboden verband.
Ausdehnung in den Raum und „geöffnete Käfige“
Es ist diese Ausdehnung seiner Bilder in den Raum, die sie zu Hoehme-Bildern macht: Die Schnüre, oft simple Wäscheleinen, mitunter verstärkt oder verdickt, sind die Adern, die seine Bilder mit der Welt verbinden. Manchmal scheinen sie wie Tentakeln, die nach dem Betrachter angeln, manchmal ragen sie wie abgeschnittene Adern in die Welt, manchmal wirken sie wie Abwehrorgane, Stacheln oder gar Corsagen. Hoehme nannte sie auch „Raumbeulen“ oder „Farbpfähle“; überhaupt empfand er seine Bilder als „geöffnete Käfige“, wie er einmal schrieb.
In Gladbeck sind nun beeindruckende großformatige Werke aus seinem Nachlass zu sehen, der heute als Gerhard und Margarethe Hoehme-Stiftung im Düsseldorfer Museum Kunstpalast betreut wird. Die Bilder strahlen in Gladbeck in ihrer Intensität von den rohen Betonwänden der Galerie doppelt und dreifach. Aber auch untereinander kommen sie hier neu ins Gespräch und fordern die Auseinandersetzung – gefördert durch Titel, die sich oft wie eine Mischung aus Hinweis und Rätsel ausnehmen: „Promulg“ etwa, „Fädensonne“, „Brandfühler“ oder „Flügelfeld“. Assoziativ und voller Gedankenfreiheit, ganz wie der undogmatische Künstler selbst.
Neue Galerie Gladbeck, bis 20. März. Mi-So 15-20 Uhr. Gesprächsrunde zum Werk mit dem ehemaligen NRW-Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff am 10. März, 19 Uhr, Eintritt frei.