Düsseldorf. Max Liebermann im Düsseldorfer Museum Kunstpalast: Der größte deutschen Impressionist in seinem europäischen Netzwerk. 120 Augenweiden.
Diese Pinselstriche, in denen man noch den Schwung, ja die schiere Begeisterung des Malers zu spüren meint! Diese Raffinesse, mit der er manchmal die rohe, gerade mal grundierte Leinwand zum
fahlen Himmelslicht werden lässt. Und dann die Gartenbilder! Er tupft Blätter von abgeblühten Tulpen mit karmesinroten Klecksen hin, lässt das Blättergewusel darunter mit Schlieren aus Grüntönen hervorquellen – hach!
Max Liebermanns Bilder sind in den allermeisten Fällen eine derartige Augenweide, dass uns fast jeder Vorwand recht sein kann, sie zu zeigen. Aber Martin Faass, der als Gründungsdirektor der Liebermann-Villa am Wannsee ein ausgemachter Fachmann ist, hat gemeinsam mit dem Museum Kunstpalast eine Ausstellung konzipiert, die Liebermann als äußerst unnationalistischen Künstler zeigt. Anders als der Titel „Ich. Max Liebermann“ suggeriert, geht es nicht etwa um die Seele oder das Selbstbild des größten deutschen Impressionisten, sondern um die internationalen Komponenten seines Werdegangs.
Mihály Munkácsy, Camille Corot, Jean-François Millet
Das Zusammentreffen mit dem damaligen Malerstar Mihály Munkácsy in Düsseldorf etwa, wohin Liebermann durch seinen Weimarer Lehrer Theodor Hagen vermittelt wurde (der dort zuvor an der Akademie gelehrt hatte). Der Ungar beeindruckte Liebermann weniger durch seinen Erfolg als durch eine ungemein realistische, tief emotionale Malweise. In der Kunstpalast-Ausstellung, die zuvor am Hessischen Landesmuseum in Darmstadt zu sehen war, springt einen diese Qualität aus dem Bild eines Todeskandidaten an, der in der Zelle Besuch von Kindern und Angehörigen bekommt – damals eine Sensation.
Von Düsseldorf aus bricht Liebermann auch zum ersten Mal in die Niederlande auf, die er zu seiner „Malheimat“ ernennen wird: vier Jahrzehnte lang wird er ab da fast jeden Sommer in das Land hinter den Deichen reisen. Und sich rege mit einheimischen Künstlern austauschen. Anfangs malt er hier Gänserupferinnen, Bauern, Konservenmacherinnen, eben die hart arbeitende Landbevölkerung, die dem Sohn einer großbürgerlichen Familie noch exotisch vorkommen müssen und als Malerei-Motiv noch revolutionär wirken, zumindest in jenem fast naturalistischem Realismus, an dem Liebermann auch später noch als Impressionist lange festhalten wird.
„Schweinemarkt in Haarlem“, aber ohne jeden Nationalismus in Wilhelms Reich
Wichtiger noch für seine Entwicklung aber ist Frankreich: Zunächst in der „Schule von Barbizon“ rund um die verehrten Meister Jean-Francois Millet und Camille Corot, wo Liebermann zwei Jahre lang malt – obwohl die Franzosen, die kurz zuvor den Krieg von 1870/71 verloren haben, kaum mit ihm reden wollen. Aber Barbizon ist da längst eine europäische Institution, hier trifft er auch Italiener und Ungarn.
Und er lässt sich nie vom Nationalismus des zweiten „Deutschen Reichs“ vereinnahmen, im Gegenteil: Die französischen Impressionisten werden ihm zu Vorbildern, auch wenn sein erstes Bild in diesem Stil, der „Schweinemarkt in Haarlem“ (1894) noch sichtbar dem Realismus verhaftet ist. Aber durch den Import der in Frankreich kultivierten Malweise, mit dem sich seine eigene Farb-Palette Jahr um Jahr aufhellt, bringt Liebermann die Moderne in Deutschland entschieden voran.
Pferderennen, Polo-Spiele und sein geliebter Garten am Wannsee
„Und in Holland geht er nun über den Dünenkamm“, wie es Martin Faass anschaulich formuliert – er malt den bürgerlichen Freizeitbetrieb am Strand, sommerliche Leichtigkeit, die Weite, die Freiheit des Meeres; und malt in Berlin, fasziniert von der Dynamik, Polo-Spiele und Pferderennen. Als der Erste Weltkrieg ihn dann am Reisen hindert, wendet er sich seinem sorgfältig ausgeklügelten Garten am Wannsee zu – über 200 Bilder entstehen hier. Ein gutes Dutzend von ihnen bilden den Abschluss dieser Ausstellung, die mit Bildern von Vorbildern, Zeitgenossen und Nachahmern von Rembrandt und van Gogh bis Beckmann, Slevogt und Corinth ihren Sehenswert nicht zuletzt daraus zieht, dass sie viele Leihgaben aus Privatbesitz präsentiert – die nach Ausstellungsende wieder unsichtbar werden.