Hamm. . Deutsche Künstler rauften sich zu Kolonien zusammen – meist an Nord- oder Ostsee. Das Gustav-Lübcke-Museum zeigt Bilder, die dabei herauskamen.

Nachdem Deutschland im Kaiserreich beim Wettlauf um einen „Platz an der Sonne“ in Afrika und andernorts kaum zum Zuge gekommen war, blühten dafür die Kolonien an Nord- und Ostsee. Die Impressionisten der „Schule von Barbizon“ hatten es vorgemacht, und nun gründeten deutsche Maler eine Künstlerkolonie nach der anderen. Rund 30 sollen es insgesamt gewesen sein, mit Worpswede als Flaggschiff vorneweg.

Das Gustav-Lübcke-Museum in Hamm stellt nun sieben dieser malerischen Landnahmen vor. Und weil die Künstler an die Küsten zogen, um in freier Natur zu arbeiten, kommt ein Urlaubs-Panorama an lichten, selten auch dräuenden, aber fast immer schönen Landschaften zusammen. Worpswede war der klassische Fall: Die Maler, fast alle an der Düsseldorfer Kunstakademie ausgebildet, lebten in der Vorstellung, gemeinsam zum unverfälschten, entfremdungsfreien Leben in der ursprünglichen Natur zurückkehren zu können. Die Lebensreform-Bewegung, die ja erstmals sonnengebräunte Haut als Indiz für Gesundheit und nicht als unerwünschte Nebenwirkung von Erwerbsarbeit unter freiem Himmel wertete, flankierte die Flucht aus der industrialisierten Zivilisation im Zeichen von Vatermörder-Kragen und Korsettzwang.

© GLH

Keine Zeit – also malte sie die Wäsche

Heinrich Vogeler, in dessen Jugendstil-Barkenhoff sich die Worpsweder Künstler trafen, malte seine innig geliebte, blutjunge Martha splitterfasernackt im frischen Grün – nicht so sehr als Aktbild, sondern als freikörperkulturellen Sehnsuchts-Traum. In Künstlerkolonien holten sich viele seinerzeit als „Malweiber“ verspottete Frauen jene Ausbildung, die ihnen an den Akademien der Zeit verwehrt war. Nicht nur Paula Modersohn-Becker, der es im Teufelsmoor bald wieder zu eng wurde und Paris zum Himmel auf Erden, sondern auch eine Frau wie Hermine Overbeck-Rothe. Deren Bilder bewahrt heute das Overbeck-Museum in Bremen auf, das ihrem Mann Fritz gewidmet ist, einem der bedeutendsten Worpsweder Maler. In Hamm sieht man Hermines Wäsche, kühn ausgeschnitten, im Wind flattern – sie hatte eben keine Zeit für große Motiv-Ausflüge und malte, wo sie gerade war.

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In Worpswede wollte man gemeinsam arbeiten und leben; ein anderer Typus von Künstlerkolonie entwickelte sich im heute litauischen Nidden (Nida): Dort fand sich Künstler um Künstler im Gasthof von Heinrich Blode ein, Lovis Corinth, Max Pechstein und Karl Schmidt-Rottluff waren hier, aber auch manch anderer Künstler, meist aus der zweiten Reihe. Und oft ließen sie, mangels Geld, dem Wirt Blode ihre Gemälde als Entschädigung für Kost und Logis zurück. Am Ende des Zweiten Weltkriegs aber verbrannte Blodes ansehnliche Sammlung; in Hamm sind trotzdem Nidden-Gemälde mit eingebauter Meeresbrise zu sehen, der berühmte, mediterran anmutende „Italienblick“ genauso wie die Elche auf der Wiese, aber auch die berühmte, gefürchtete Wanderdüne des Orts.

Im Sommer waren dann auch die Kunden da

Museums-Chefin Friederike Daugelat hat zudem Gemälde aus dem „mecklenburgischen Worpswede“, zu dem sich der Ort Schwaan entwickelte, nach Hamm geholt, aus Ahrenshoop, Heikendorf und dem Brandenburgischen Ferch; auf der Aussteiger-Insel Hiddensee schließlich entstand eine „Landhaus“-Künstlerkolonie rund um die neu gebaute Lietzenburg von Otto Kruse, dem Schwager der Puppenmutter. Aber nur im Sommer, der zudem den Vorteil hatte, dass auch die Kunden der Maler vor Ort waren und manche Leinwand zur Erinnerung mitnahmen.

Es waren 80 Bilder von 40 verschiedenen Malern, die irgendwo zwischen Im- und Expressionismus siedeln. Zusammen gesehen können sie einen herrlich frischen Urlaubstag an der Küste ersetzen, als Sonnenstrahl an trüben, dunklen Wintertagen.