Berlin. Kein Blitzlichtgewitter, kein Promi-Trubel, keine Partys: Am 10. Februar startet die Berlinale – doch von Feststimmung kann kaum die Rede sein.
Ein Festival ohne cineastische Leuchttürme, ohne Promi-Rummel und Blitzlichtgewitter am Roten Teppich wirkt wenig verlockend. Bonjour Tristesse, lautet das Motto der 72. Berlinale, die am 10. Februar eröffnet wird. Nicht nur sämtliche Empfänge und Premierenfeiern sind komplett gestrichen, das soziale Leben insgesamt, absolut essenziell für solch eine Veranstaltung, ist eingefroren: „Vermeiden Sie Ansammlungen in Gruppen“ fordert das Festival die Teilnehmenden auf. Von Feststimmung kann kaum die Rede sein.
Der ohnehin schon denkbar dünne Wettbewerb blamiert sich endgültig, wenn mit „Call Jane“ ein Film ins Bären-Rennen aufgenommen wird, der zuvor schon bei der Konkurrenz, auf Robert Redfords renommierten Sundance-Festival, gezeigt wurde. In Cannes und Venedig ein vollkommen undenkbarer Fall, die sonst auch von Berlin gerne stets vollmundig verkündete Exklusivität fällt diesmal aus.
Die Glamour-Bilanz der Berlinale 2022 ist verhagelt
Selbst bei der Jury, längst wichtiges Aushängeschild aller A-Festivals, haben die Berlinale Chefs Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian wenig Fortune. Deren kaum bekannte Namen sorgen jedenfalls kaum für Punkte in der verhagelten Glamour-Bilanz. Während die Januar-Festivals von Rotterdam, Sundance und Saarbrücken auf virtuelle Weise stattfinden, setzt man in Berlin stur auf die Präsenzvariante – und das zu einer Zeit, in der ein Höhepunkt der Omikron-Welle erwartet wird.
Offensichtlich scheint das nun auch bei den Verantwortlichen angekommen zu sein. Eilig wurden die Hygiene-Regeln geändert. Der freie Zugang für Geimpfte mit Booster-Impfung wurde über Nacht gestrichen, nun müssen ausnahmslos alle einen tagesaktuellen Test bei Pressevorstellungen vorlegen. Bei Publikumsvorführungen wird derweil auf einen Test verzichtet. Kafkaeske Regeln wie diese sorgen unter Medienvertretern für wenig Verständnis.
Forderung nach einer Online-Variante der Berlinale
„Diese neuen Regeln sind einfach dumm“, schreibt eine polnische Teilnehmerin in der Facebook-Gruppe für Berlinale-Journalisten. „Es wird massenhaft Absagen geben“, prophezeit ein Kollege aus Italien. Auch die Forderung nach einer Online-Variante steht dort bereits im Raum. Immerhin eine „Berlinackte“ wird es dieses Jahr wieder geben. In der „Gala“-Sektion zieht die zweifache Oscar-Preisträgerin Emma Thompson blank in der Komödie „Good Luck to You, Leo Grande“. Auch dieses Werk ist in Berlin nur aufgewärmt, die Weltpremiere fand beim Sundance statt.