Essen. Eine Luxusbesetzung, von einem Klassik-Konzern von Weltrang live mitgeschnitten: Am Wochenende gab es Händels „Theodora“ in Essens Philharmonie.

Klingt wie Händel – aber Himmel! Wo sind die halsbrecherischen Arien, die pompösen Effekte, das – sicherlich auch – erwartete Koloraturgewitter, das bei dieser vokalen Luxusbesetzung bestens aufgehoben wäre? Fehlanzeige. In diesem späten Oratorium, das Georg Friedrich Händel (1685-1759) in seiner Londoner Wahlheimat 1750 zur Uraufführung bringt, geht es bis auf wenige Ausnahmen musikalisch verinnerlicht, ja zuweilen verklärend-abgeklärt zu. Im Mittelpunkt steht die Christin Theodora, die in der Zeit der großen Verfolgungen durch Roms Kaiser Diokletian ihrem Glauben nicht abschwören will. Strafe: Nicht „nur“ der Tod, sondern Übereignung an den „Hof der Venus“. Heute würde man das wohl Zwangsprostitution, hybrider Krieg gegen Andersdenkende nennen.

Auch der Geliebte, der bekehrte römische Offizier Didymus, kann ihr – trotz abenteuerlicher Versuche, wie durch waghalsigen Rollentausch, nicht helfen. Einen Stellvertretertod gibt es nicht, die Staatsmacht bleibt hart. Beide erleiden das Martyrium. Am Ende kommentiert Theodoras stets beobachtende und mitleidende Christengefährtin Irene: „Love is stronger far than death“, bevor der bereits von den Zeitgenossen gerühmte Schlusschor an die göttliche Liebe einsetzt: „O love divine…“.

Händels „Theodora“ in Essens Philharmonie: Besetzung von Weltrang

Und der Chor des Gesamtensembles „Il Pomo d‘oro“ agiert unter Maxim Emelyanychev (seit fünf Jahren Chefdirigent) in der schlanken Besetzung mit 16 Sängerinnen und Sängern gewissermaßen als sechster Solist dieser mit dreieinhalb Stunden ungekürzten Aufführung: stilsicher, ausbalanciert und geschmeidig, sowohl bei den punktierten „heidnischen“ Rhythmen als auch bei den choralmäßig daherkommenden Gesängen. Mal treibend, dann wieder ideal die Sänger stützend formt das Orchester nahezu plastisch die Partitur und erweist sich einmal mehr als eines der führenden Originalklang-Ensembles.

Lisette Oropesa formt mit glasklarem, ebenso biegsamem wie höhensicheren Sopran die Titelpartie zwischen subtiler Glut der liebend Glaubenden und der bereits jenseitig Schicksalsergeben. Im Duett mit Countertenor Paul-Antoine Bénos-Dijan als Didymus, der sich agil und mühelos durch sämtliche Register bewegt, ergänzt sich beider Farbpalette ideal. Gleichsam eine Innenschau der mitleiden Seele gewährt Joyce DiDonato als Irene. Mit prachtvollen Bögen, einem dynamischen Repertoire, das auch ein scheinbar unendlich währendes Diminuendo umfasst, um dann im zartesten und doch tragenden Pianissimo zu verklingen: So formt die Mezzosopranistin ein berührendes Rollenporträt.

Joyce DiDonata war von einem erstklassigen Ensemble umgeben

Michael Spyres als Septimus überzeugt mit schlanker Tongebung und ebensolcher Phrasierung seines beweglichen Tenors, während John Chest in der Partie des Valens neben standfester baritonaler Autorität auch mit virtuoser Geläufigkeit prunkt. Die Aufführung in der Essener Philharmonie am Ende einer Europatournee durch fünf Städte wurde übrigens mitgeschnitten und erscheint bei Warner Classics als CD.