Vom Schlagerkaiser bis zum Punk, von der Harfe bis zum Blech: Unsere Redaktion hat haufenweise neue Weihnachtsalbum gehört. Zwölf kamen durch.
Perfekt gepunkt
Wer hätte gedacht, dass den Broilers nach „Santa Muerte“ zehn Jahre später mit „Santa Claus“ (Warner) ein perfektes Punkrock-Weihnachtsalbum gelingt? Sie spielen Eigenes („Grauer Schnee“) und Klassiker: „Feliz Navidad“, „Driving Home For Christmas“, das extrem gut gecoverte „Fairytale Of New York“ und das lustige „Mele Kalikimaka“. Die Ramones interpretieren sie sentimental-sanft, den Kinks („Father Christmas“) geben sie Wumms. Dazu kommt der Vandals-Gruß „Oi! To The World“. Mein Fav-Oi!-rit zum Fest!
Harfe vom Himmel
Kann es Zufall sein, dass das Lieblingsinstrument himmlischer Heerscharen die Harfe ist? Voilà, dies ist Musik zum Thema. An der Harfe, engelsgleich: der berühmteste Solist unserer Zeit. Es ist Xavier de Maistre, der einst gar die ehrenwerten Wiener Philharmoniker verließ, um solo zu spielen. „Christmas Harp“ (Sony) ist ein herzwärmend fein gesponnenes Album mit einer Bandbreite vom Ave Maria bis zu Tschaikowskys „Nussknacker“. Selbst eine hübsche Seichtigkeit wie Jingle Bells adelt de Maistres Saitenspiel!
Ein echter Brönner
Till Brönners unverkennbare gedämpfte Trompete, dazu nur der Walking-Bass von Christian von Kaphengst – so eigenwillig und vertraut zugleich hat man „Jingle Bells“ wohl selten gehört. Auf dem Album „Christmas“ (Sony) schlagen Brönner, von Kaphengst und Frank Chastenier am Piano einen kontemplativen Lounge-Jazz-Bogen von deutschen und internationalen Klassikern zu melancholischen Pop-Songs. Der soulige Gesang von Max Mutzke bei „Christmas Time Is Here“ passt dazu einfach ideal.
Mit Stadtfeld festlich meditieren
Wer Martin Stadtfeld je begegnen durfte, konnte wissen, dass sein Weihnachtsalbum das Gegenteil einer schrillen Welt diodenblinkender Nikoläuse würde. Seine Festklänge sind sensibel, eigenständig, zugleich wohnt ihnen großer Respekt für altes Liedgut inne. „Christmas Piano“ überrascht erst mit Kleinodien aus eigener Feder, dann lauschen wir Stadtfelds feinfühlig für den warm tönenden Steingraeber-Flügel eingerichteten Bearbeitungen von „Stille Nacht“ bis „Vom Himmel hoch“. Pure Meditation!
Norah Jones wärmt zur Weihnacht
Dass jemand wie Norah Jones irgendwann ihre Weihnachtsplatte machen würde, liegt auf der Hand. Wer mit einer Stimme gesegnet ist, die wie eine wärmende Decke in kalter Winternacht wirken kann, der muss die Menschen mit musikalischem Zuckerguss verwöhnen. Kein bisschen kitschig ist „I Dream Of Christmas“ (Blues Note Records) geworden. Dafür souverän, leicht angejazzt, voller Spielfreude. Man lausche nur, wie die Jones leicht lasziv bei „White Christmas“ an den Gabentisch tänzelt. Herrlich!
Wenn beim Kaiser Glocken klingen
Es dauert nur eine Zeile und man weiß, wer hier behauptet, „Süßer die Glocken nie klingen“. Roland Kaiser serviert Musik für die „Weihnachtszeit“ (Sony). „Leise rieselt der Schnee“ bis „Engel auf den Felsen singen“ und es ein „White Christmas“ gibt. Unterwegs geht es unter anderem „In The Ghetto“ und durchs „Winter Wonderland“. Alles sehr schön, nur dass Kaiser zusammen mit den Münsteraner Tatort-Kommissaren Prahl und Liefers „Happy Xmas (War is Over)“ verkünden, hätte es nicht unbedingt gebraucht.
Verunsicherung zum Fest
Bei manchen währt die Pubertät bis ins Rentenalter, das zeigt Österreichs Erste Allgemeine Verunsicherung auf „EAVliche Weihnachten – Ihr Sünderlein kommet“ (Universal). An Weihnachtspornos und Pieseln in den Schnee, an knabengeilen Pfäfflein und Horror-Tannen kann sich ergötzen, wer allzu schrägen Humor liebt. Die Blödel-Musikanten torkeln zwischen Metal und Volksmusik, Blues und Boogie, sampeln Gebell und Gerülps („Schlingel Bell“). Das klingt wie in den 80ern, teils mit depressiven Zwischentönen.
Warten aufs Chris-Kind
Chris Kramer ist ein Chris-Kind, denn dies ist seine dritte CD zum Fest. Dortmunds Mundharmonika-Meister hat mit „Die Weihnachtsgeschichte“ (Fenn Music) eine Mischform gewählt: halb Hörbuch, das die Weihnachtsgeschichte erzählt (auch für ältere Kinder geeignet), dazwischen Musik. Stimmungsvolle Piano-Songs wie „The First Noel“ und „Still, Still, Still“, gesungen meist von Heike Meering. Auch Kramers eigenes „The Carpenter From Galilee“ aus Sicht des Zimmermanns Josef stimmt bluesig feierlich.
Kelly Clarkson frischt Festsongs auf
„When Christmas Comes Around“(Warner) heißt das zweite Weihnachtsalbum von Kelly Clarkson. Natürlich gibt es Coverversionen. Aber denen hat die ehemalige American-Idol-Gewinnerin ein völlig neues Gewand verpasst. „Santa Baby“ etwa kommt hier erfrischend modern daher und selbst „Last Christmas“ ist als Easy-Listening-Version wieder hörbar. Noch gelungener aber sind die neuen Nummern. Hier eine Prise Motown, dort ein Hauch von Phil Spectors Wall of Sound. Weihnachten kann kommen.
Wo der Wind echter Klassik weht
Viel klassischer Atem weht in diesem hochklassigen Festtagsalbum – und doch hören wir keine einzige Singstimme. Der Trompeter Matthias Höfs hat samt hochkarätigen Kollegen mit „Festive Trumpets for Christmas“ (Berlin Classics) ein Blechbläseralbum auf hohem Niveau konzipiert. Extrem kunst- und geschmackvolle Lied-Arrangements (herausragend: „Maria durch ein Dornwald ging“) schenken uns die schöne Chance, einer gefährdeten Tugend Raum zu geben, die Weihnachten ganz besonders guttut: zuhören!
Und Nat King Cole ist wieder da!
Wer an Weihnachtsmusik mit leicht jazziger US-amerikanischer Note denkt, kommt an Nat King Cole kaum vorbei. Nun wurden alte Aufnahmen und Gesangsspuren dieser großartigen Kehle neu vom Produzenten Jay Landers und dem Arrangeur Jorge Calandrelli aufpoliert. Bisweilen gesellen sich auch Kollegen dazu wie Gloria Estefan oder John Legend. „A Sentimental Christmas“ (Capitol Records) trägt bisweilen schon ordentlich dick auf, aber mal ehrlich: Genau das möchte man in diesen Tagen doch auch hören.