Essen. Hinter den Kulissen der Kultureinrichtungen in der Region wird hitzig diskutiert: Wie gelingt es, die Klimabilanzen der Häuser zu verbessern?

Der deutsche Plan, bis zum Jahr 2030 rund 65 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen zu wollen als 1990, ist ehrgeizig. Und dürfte nur funktionieren, wenn fast alle an einem Strang ziehen – auch die Kulturbetriebe. Hinter den Kulissen laufen bereits hitzige Überlegungen, wie man eine bessere Klimabilanz erreichen kann, ohne bei einem künstlerischen Kahlschlag zu landen. Arbeitsgruppen tagen, Computerprogramme werden bemüht, grundlegende Fragen gestellt. Muss der Star-Solist für einen Auftritt unbedingt von weit her einfliegen? Muss das teure Bühnenbild nach wenigen Vorstellungen auf dem Müll landen? Die Debatten sind in vollem Gange.

Vier Beispiele zeigen, wie sehr die Nachhaltigkeit die Künste derzeit beschäftigt und ob ein „Green Deal“ auch für die Kultur zu erreichen ist:

Musiktheater im Revier

Nicht ohne Stolz kann das Musiktheater im Revier (MiR) von sich behaupten, als eines der ersten Opernhäuser in Deutschland einen Klimarechner in Gang gesetzt zu haben: das Programm „Julie’s Bicycle“, das vom Arts Council in London erstellt wurde und in Großbritannien schon eine Weile Verwendung findet. In Deutschland kümmert sich das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit um seine Verbreitung, die englische Testversion ging nach Gelsenkirchen.

Das Musiktheater im Revier hat viele Ideen, wie es seine Klimabilanz verbessern kann.
Das Musiktheater im Revier hat viele Ideen, wie es seine Klimabilanz verbessern kann. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Das Ganze sei relativ einfach zu bedienen, berichtet MiR-Geschäftsführer Tobias Werner. „Man gibt viele Daten dort ein, etwa den Wasser- und den Stromverbrauch oder die Mengen an Müll.“ Abgefragt werde auch, wie viele Mitarbeiter mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen oder wie das Publikum den Weg zu den Vorstellungen findet: ob mit Bus oder Bahn oder dem eigenen Diesel. „Manches war gerade während des Lockdowns etwas schwer zu ermitteln“, meint Werner. Dabei kam heraus: Das MiR verbrauche 1530 Tonnen CO2 pro Spielzeit. „Ob das viel oder wenig ist, können wir nicht sagen, weil es keine Vergleichszahlen gibt.“

Gleichwohl stand für das MiR fest, an dieser Klimabilanz unbedingt schrauben zu wollen. „Als erste Maßnahme haben wir unsere Kesselanlage erneuert und setzen jetzt auf Fernwärme statt auf Gas.“ Weitere Ideen gibt es viele: etwa das Dach zu begrünen und sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder zu schaffen. Dass die Eintrittskarten fürs MiR auch als Fahrscheine für den ÖPNV benutzt werden können, habe sich beim Publikum leider noch nicht herumgesprochen: „Das müssen wir dringend stärker bewerben.“

Ruhrtriennale

„Julie’s Bicycle“ ist in diesem Jahr auch bei der Ruhrtriennale angekommen. Hier steht Dramaturgin Sara Abbasi vor einer kniffeligen Aufgabe, denn das Festival läuft ja an mehreren ehemaligen Industriestandorten im ganzen Ruhrgebiet. „Um relevante Daten wie etwa den Stromverbrauch in allen Häusern zu ermitteln, sind wir auf die Mithilfe der einzelnen Betreiber angewiesen“, erzählt sie. „All dies wird in den Klimarechner eingespeist, was im Vorfeld irrsinnig aufwendig ist.“ Belastbare Zahlen gebe es noch nicht: „Wir stehen da ganz am Anfang.“ Dennoch möchte die Ruhrtriennale das Bewusstsein für Nachhaltigkeit weiter schärfen – vor und hinter den Kulissen. Ob durch das Teilen von Bühnenbildern mit anderen Häusern oder durch den Verzicht auf Fleisch beim Catering. „Das ist in diesem Jahr neu bei uns. Die Grünkernfrikadellen sind aber weit mehr als ein Ersatz, sie sind ungeheuer lecker.“

Gleichwohl ist Abbasi bewusst, dass ein international vernetztes Festival wie die Ruhrtriennale kaum klimaneutral arbeiten kann: „Da fallen etwa Reisen ins Gewicht. Auch die Herausforderungen bei der Mobilität in NRW werden wir als Ruhrtriennale nicht lösen können.“ Doch gerade bei den Fahrten des Publikums zu den Spielstätten gelte es, schlaue Lösungen auszubauen: etwa durch einen Shuttle-Service (der teils bereits existiert). „Vielleicht kommt man eines Tages vom Bahnhof mit dem E-Bike zu uns.“

Schauspielhaus Bochum

Veronika Nickl
Veronika Nickl © Handout | Martin Steffen

Seit zwei Jahren trifft sich am Schauspielhaus Bochum eine Klima-AG. Maßnahmen zur Energieeinsparung gibt es viele: von ganz kleinen (wie die Benutzung von wiederverwendbaren Wattepads in der Maske) bis zu größeren (geprüft wird das Aufstellen von Solarzellen auf bestimmten Dachbereichen). Das Schauspielhaus möchte auch wesentlich weniger Müll bei der Produktion von Bühnenbildern verursachen und versucht, Teile der Kulissen für andere Produktionen wiederzuverwenden: „Da bedarf es aber viel Kommunikation, weil so etwas als Eingriff in die Kunstfreiheit verstanden werden könnte“, erzählt Schauspielerin Veronika Nickl, Mitbegründerin der Klima-AG. Ein schönes Beispiel für die Wiederverwendung von Bühnenbildern gibt es bereits: Die sogenannte „Welthütte“ im Mittleren Foyer des Theaters stand früher bei der Ruhrtriennale. Beim Catering achtet das Theater schon lange darauf, möglichst regionale und vegetarische Produkte zu verwenden.

Museum Folkwang

Peter Gorschlüter, Direktor des Museum Folkwang in Essen.
Peter Gorschlüter, Direktor des Museum Folkwang in Essen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Eine Reihe von Maßnahmen zur CO2-Reduktion hat das Museum Folkwang in Essen auf den Weg gebracht. Ein großer Schritt sei gewesen, die Kälteanlagen von Erdgas auf Ökostrombetrieb umzurüsten: „Das hat zu einer deutlichen CO2-Reduktion geführt“, sagt Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter. Außerdem sei eine eigene Photovoltaik-Anlage auf dem Dach in Planung. Auch im täglichen Betrieb versucht das Folkwang-Museum, sich klimafreundlich aufzustellen: So werden längst nicht mehr alle Kurierfahrten von eigenen Mitarbeitern begleitet. „Wenn wir Kunstwerke in andere Museen ausleihen, werden diese in der Regel begleitet“, sagt Gorschlüter. „Vieles klappt mittlerweile aber auch gut über Video.“ Auch die Besucher sollen stärker für das Thema sensibilisiert werden: etwa durch E-Lade-Stationen in der Tiefgarage. „Das macht in der CO2-Bilanz vielleicht nicht viel aus, aber am Ende summiert sich das.“ Dass Online-Tickets fürs Museum auch für freie Fahrten im ÖPNV genutzt werden können, gab es bereits einmal bei der Keith-Haring-Ausstellung im vergangenen Jahr: „Das möchten wir gerne weiter ausbauen.“