Düsseldorf. Premiere im Düsseldorfer Opernhaus: Die Choreographie „Come in“ überzeugt, die Uraufführung von Twyla Tharp floppt.
Sie kommen und sie gehen, empfangen mit offenen Armen vorübereilende Menschen, tanzen kurz mit ihnen in synchronen Reihen und lassen sie wieder los: Zwölf Männer in schwarzen Trikots laden ein zu „Come in“ – so der Titel eines neuen zweiteiligen Ballettabends, der jetzt im Düsseldorfer Opernhaus Premiere feierte. „Come in“ heißt ebenso die zentrale und künstlerisch wertvollere Choreographie des Abends, kreiert von Aszure Barton. Die kanadische Choreographin kreiert mit diesem bereits 2006 in New York uraufgeführten Stück ein hochästhetisches Tableau mit feinen neoklassischen Linien und überwiegend fließenden Bewegungen.
Zwischen Melancholie und Meditation
Angetrieben von der Neo-Romantik des russischen Tondichters Vladimir Martynov. Seine weichen Streicher-Klänge fließen, ähnlich wie die von Barton geschaffenen Schrittfolgen. Sie wirken leicht verhangen, manchmal melancholisch und von meditativer Kraft. Sicherlich besitzt dieses Opus keine innovative Energie: es wühlt weder auf noch rütteln die geschmeidigen und präzisen Sprünge, Drehungen und Posen der exzellent trainierten Ballerinos wach. Sie nehmen aber den Zuschauer an die Hand und führen ihm den ewigen Kreislauf des Lebens vor Augen.
Da sitzen sie auf Stühlen, mal entspannt in abwartender Haltung, mal schauen sie aufgeregt mit zitternden Knien auf Neu-Ankömmlinge. Besondere Präsenz, Eleganz, katzenhafte Gelenkigkeit und Ausstrahlung entfalten in diesen vorüberziehenden ‚Come in - go out‘- Bildern einige Solisten. Wie Gustavo Carvalho, Dunkin Seo oder Tommaso Calcia – Bewegungskünstler, die der neue Ballettchef Demis Volpi vor einem Jahr mitbrachte und deren Namen man sich merken sollte. Warum überzeugt dieses neoklassische Stück? Es ist ausgereift, kommt direkt und einfach über die Rampe und drapiert sich nicht mit einem mystischen Klimbim.
Eine Schar von bizarren Gestalten
Ganz anders, aufgesetzt und dekoriert mit rätselhaften Figuren-Konstellationen wirken dagegen die „Commentaries on the floating world“ (Kommentare über die fließende Welt). Das 45 Minuten-Opus – eine Auftragsarbeit des Ballett am Rhein – stammt von Twyla Tharp. Die amerikanische Altmeisterin neoklassischen Tanzes, die diese Choreographie von New York aus per Video-Schalte einstudiert hat, lässt eine Schar von bizarren Gestalten durch den Bühnenkosmos irren. Begleitet von dem einfallslosen, rein motorischen Minimal-Music-Verschnitt von Terry Riley.
Man muss vorher das Programmheft genau lesen, um zu verstehen, dass Tharp hier ein Stück „Welttheater“ auf die Bühne bringen will. Ein ewig kreisender, zappelnder, vibrierender Tänzer (exzellent: Julio Morel) symbolisiert den Nordstern. Im Hintergrund oder am Bühnenrand überzeugt Morel durch wandlungsfähigen Modern Dance. Ebenso Eric White als „Hero“ in weißem Erlöser-Dress und sein „Companion“ Feline van Dijken.
Permanent mischen sich andere Wesen in das Geschehen ein und stiften Verwirrung. Die „Zeit“ in finsterer Kutte (Dukin Seo) droht mit knorrigem Hirtenstab und erinnert, in garstigen Posen, daran, dass die Zeit rast. Verführerisch dagegen kommen die Jugend (Evan L’Hirondelle) oder der ‚Demagoge‘ (Orazio Di Bella) über die Rampe. Wie gesagt: Wer nur auf die Bühne schaut und richtet und nicht dazu parallel ins Programmheft, der erkennt nur ein quirliges Durcheinander, in das ab und zu fünf Ballerinen auf Spitzenschuhen Ordnung bringen wollen. Vor 40 Jahren hätte diese Uraufführung – trotz der banalen Botschaft – Ballettfreunde vielleicht begeistern können. Sonntag, nach der Premiere, erntet sie gerade mal zurückhaltenden Höflichkeitsapplaus und Kopfschütteln.