Düsseldorf. Die Kunstsammlung NRW rückt den Maler Georges Braque, der als Zwilling von Picasso galt, mit einer leihgabenstarken Ausstellung ins rechte Licht.

Für ein paar Monate des Jahres 1911 machten sich Georges Braque und Pablo Picasso einen Spaß daraus, ihre Bilder nicht mehr zu signieren – denn sie hatten sich in ihrem Mal-Stil so weit angenähert, dass auch ein geübtes Auge nicht mehr in der Lage war, zu erkennen, wer von beiden welches Bild gemalt hatte. Eine Zeit lang hielten sie diese verschleierte Autorschaft durch. Dann aber werden Geld und Geltungsdrang dem herrlich verrückten Treiben der beiden Avantgardisten ein Ende gesetzt haben.

Am Ende galt Picasso weltweit als Jahrhundertgenie – und Braque war der bis zum Tod 1963 nur noch in Frankreich verehrte „Patron“ der Moderne, wie ihn der Dichter Guillaume Apollinaire schon früh beschrieben hatte. Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, die vier wichtige Gemälde von Braque besitzt, setzt sich nun in einer leihgabenstarken Sonderausstellung dafür ein, den Maler als Erfinder des Kubismus zu inthronisieren.

Vorbilder von Matisse und Derain bis Cèzanne

Georges Braque: Der Portugiese (Der Emigrant), 1911-1912, Öl auf Leinwand, 116,7 x 81,5 cm, Kunstmuseum Basel
Georges Braque: Der Portugiese (Der Emigrant), 1911-1912, Öl auf Leinwand, 116,7 x 81,5 cm, Kunstmuseum Basel © Kunstmuseum Basel Martin P. Bühler | Georges Braque VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Braque, der als Sohn eines Dekorationsmalers dessen Handwerk gelernt hatte, kam 1900 nach Paris und ließ sich vom schnellen, vielfältigen, anregenden Leben der Metropole zu moderner Malerei inspirieren. Nach impressionistischen Anfängen eifert er den „Fauves“ nach, den von der konservativen Kunstkritik zu wilden Tieren gestempelten Malern wie Henri Matisse, An­dré Derain und Maurice de Vlaminck und dem Außenseiter Cèzanne. Hier setzt die Ausstellung ein in Gemälden, die mit dicken Pinselstrichen, rosa Baumstämmen und violetten Felsen frechweg sagen: Ich bin kein Abbild der Wirklichkeit, ich bin ein gemaltes Bild!

1907, als Braque nur noch Braun- und Grün-Töne verwendete, lernte er Picasso kennen – und die „Demoiselles d’Avignon“, die er in dessen Atelier sah, hauten ihn um, trieben ihn noch weiter in der Richtung, die er längst eingeschlagen hatte. Nunmehr sagten seine Bilder, die hauptsächlich Stillleben waren und immer kantigere Konturen aufwiesen: Hier ist nicht ein einfacher Blick auf die Dinge zu sehen, hier siehst du sie aus vielen verschiedenen Perspektiven – so wie ja wir alle die Wirklichkeit immer aus einer anderen Perspektive sehen.

Tägliche Diskussionen im Atelier

Braques Bilder wurden mehr und mehr wie die Zeit, in der die neue Metro und erste Autos durch Paris fuhren, in der Becquerel und Marie Curie die Radioaktivität entdeckten, die ersten Tonfilme liefen und Telefonleitungen die Hauptstädte Europas miteinander verbanden.

Der bedächtige Braque, der die Sommermonate meist in Südfrankreich an der Mittelmeerküste verbrachte

und sich genau dort in der Ruhe zum Kubismus durchrang, und der quirlige, unermüdlich Neues ausprobierende Spanier Picasso wurden Freunde. Täglich besuchten sie einander in ihren Ateliers, diskutierten, regten sich gegenseitig an. Braque allerdings immer vorneweg. Er schlug den Weg in den „analytischen“ Kubismus ein, der sich daran machte, alles in Flächen und Zeichen zu zerlegen und so gut wie keine konkreten Gegenstände mehr zu zeigen. Und er ging weiter zum „synthetischen“ Kubismus, indem er etwa Frottage-Techniken in Zeichnungen integrierte oder Sand und anderes Material in Gemälde.

1914 war es vollkommen aus mit Picasso und Braque

Die Maler-Freundschaft war beendet, als Braque 1914 in den Ersten Weltkrieg zog und ein Jahr später mit einer schweren Kopfverletzung wiederkehrte. Er habe Braque seither nie wieder gesehen, sagte Picasso. Aber das kann ja nur im übertragenen Sinne stimmen. In Düsseldorf ist Braque nun auf das Allerschönste zu sehen, ein Klassiker der Moderne im verdienten Licht.