Köln. Das Kölner Ludwig-Museum rückt mit der neuen Ausstellung „Der geteilte Picasso“ die politische Seite des Jahrhundertgenies in den Fokus.
Wenn das Kölner Ludwig-Museum eine Picasso-Schau ankündigt, liegen fast automatisch die Begriffe „Meisterwerke“ und „Augenlust“ schon griffbereit in der Luft. Schließlich verfügt man nach den Picasso-Museen in Paris und Barcelona über die drittgrößte Sammlung der Welt. Doch diesmal ist es anders: „Der geteilte Picasso“ handelt von der Art und Weise, wie heftig Picasso nach dem Zweiten Weltkrieg in Ost und West missverstanden wurde - was freilich keine Seite davon abhielt, das Jahrhundertgenie für sich ideologisch zu vereinnahmen.
Es ist also keine Kunstgenuss-Ausstellung, was schon mit den vielen provisorischen Stellwänden der Schau ins Auge springt, die meist auf Vorder- und Rückseite genutzt sind und viele Dokumente, Zeitungsausschnitte und Fotos präsentieren. Die eher spröde Anmutung, in der auch die überschaubaren Picasso-Gemälde ist gewollt, sie solle die Vorläufigkeit auch dieser Sicht auf den Künstler deutlich machen, sagt Kuratorin Julia Friedrich.
Die Erkenntniskraft dieser Ausstellung ist riesig
Aber die Erkenntniskraft dieser Ausstellung ist riesig. So verstieg sich der allseits geschätzte Kunstexperte Werner Schmalenbach, der gerade mit millionenschwerer Hilfe der Landesregierung zehn zentrale Picasso-Gemälde für die künftige Kunstsammlung NRW hatte ankaufen dürfen, noch Mitte der 70er-Jahre zu der durch und durch falschen Behauptung: „Sein Werk ist unpolitisch“. Gemälde wie die Kriegs- und Faschismus-Anklage „Guernica“ seien Ausreißer. In Köln wird jetzt gerade der politische Picasso in den Mittelpunkt gerückt, der gleich nach der Befreiung Frankreichs von der Nazi-Wehrmacht in die Kommunistische Partei eingetreten war; der mit dem Gemälde „Massaker in Korea“ 1951 nicht nur an Goya anknüpfte, sondern auch Kriegsverbrechen der USA bekannt zu machen versuchte; der für die Friedenskongresse der Nachkriegszeit das längst ikonische Tauben-Symbol entwickelte. Das ließ Bertolt Brecht übrigens gleich auf den Vorhang seines Berliner Ensembles nähen und bedankt sich in einem Brief an Picasso etwas herablassend für dessen „nützliche Werke“.
Aber hüben wie drüben stand zunächst das Ressentiment am Anfang: Als die Stadt Köln 1953 mit „Kopf einer lesenden Frau“ ihren ersten Picasso ankaufte, tobte in den Zeitungen umgehend eine Leserbrief-Schlacht, in der auch das Wort „entartet“ fällt - und kurz darauf musste das mit Kratzern beschädigte Bild schon wieder restauriert werden. In der DDR stieß man sich da noch am angeblichen „Formalismus“ des Künstlers, der mit seinen wilden kubistischen Experimenten Kunst um der Kunst willen geschaffen habe, anstatt progressive Ideen zu propagieren (da deckt sich interessanter Weise die Wahrnehmung in Ost und West). Und als Mitte der 50er-Jahre in Ost-Berlin Picassos genialer „Maler und Modell“-Zyklus gezeigt wird, nehmen viele Genosse Anstoß an der freizügigen Erotik, müssen sich aber von eine, Intellektuellen wie Arnold Zweig „Spießertum“ vorhalten lassen. Aber als Picasso-Gemälde (inklusive „Guernica“!) 1956 durch die Bundesrepublik Touren, kommen in Köln sensationelle 85.000 Besucher und Picasso wird vom Bürgerschreck mehr und mehr zum Kunstheiligen.
„Für Köln gekauft, nach Ostberlin gegeben“
So geht das hin und her, bis Peter Ludwig die Szene betritt. Der Aachener Schokoladenfabrikant lässt seit 1976 in Sachsen-Anhalt lösliches Kakaopulver produzieren („Trink fix“) und flankiert das mit großzügigen Picasso-Leihgaben in die DDR. Gleichzeitig nutzt er die Gelegenheit, DDR-Kunst, etwa vom staatstragenden Willi Sitte zu kaufen. Die an die DDR ausgeliehenen Picassos kommen übrigens nach der Wende nach Köln zurück, wo man sich anfangs von Ludwigs Kunst-Schachzügen düpiert gefühlt hatte („für Köln gekauft, nach Ostberlin gegeben“).
Ein großartiges Extra bietet die Ausstellung mit einem Film von Peter Nestler über die Picasso-Kapelle im provenzalische Vallauris mit dem emblematischen Wandgemälde „Krieg und Frieden“ und hunderten Keramiken. Im Museum ist eine 15-minütige Kurzfassung zu sehen, auf der Homepage der Schau gibt es die volle Länge von 48 Minuten (und vertiefendes Material). Und gleich zu Beginn der Schau ist eine überaus vielsagende Anekdote zu erfahren: Picasso sollte Ende der 40er-Jahre auf der Reise zu einem Friedenskongress in Großbritannien eine Ausstellung seiner Werke in London eröffnen. Als die britische Regierung den Kongress verbieten wollte, drohte Picasso die Ausstellung abzusagen. Als man ihm vorhielt, man müsse doch Kunst und Politik voneinander trennen, antwortete er: „Es wird Ihnen vielleicht merkwürdig erscheinen, aber es gibt aber nicht zwei Picassos, sondern nur einen!“