Duisburg. Der Foto-Künstler Andreas Gursky zeigt 60 Aufnahmen aus 35 Jahren im Duisburger Museum Küppersmühle, von Fußballplätzen bis zu Kreuzfahrtschiffen.

Auch ein Andreas Gursky, heute hoch gehandelter Foto-Star, dessen Bilder Rekord-Preise erzielen, hat mal klein angefangen. Die Formate, aber auch die Motive seiner Anfänge strahlen heute eine wohltuende Bescheidenheit, Nüchternheit, fast Beiläufigkeit aus: höchst durchschnittliche Einfamilienhausterrassen, Flughafenbeobachter, sehr unprominente Fußballplätze in Belgien oder der Schweiz, Schwimmbäder.

Gursky, der zunächst bei Michael Schmidt an der Essener Folkwang-Hochschule studiert hatte, um dann zu Bernd und Hilla Becher an die Düsseldorfer Kunstakademie zu wechseln, suchte offensichtlich nach Leitmotiven für Serien nach dem Vorbild seiner Düsseldorfer Lehrer – freilich mit zwei Unterschieden: Während die Bechers peinlich darauf achteten, dass ihre Bilder von Gasometern, Zechentürmen, Fachwerkhäusern komplett menschenleer blieben, sind Gurskys frühe Arbeiten geradezu bevölkert. Und: sie sind farbig; bunt sind sie nicht, die Töne bleiben gedeckt und lakonisch wie bei der berühmten Aufnahme von der Ruhr-Universität 1988. Den fast monochromen, konturarmen, nicht ablenkenden Becher-Himmel haben allerdings auch sie fast durchweg.

„Rhein III“ – die Klimakrisen-Variante des Rekordbildes „Rhein II“

Im frisch erweiterten Museum Küppersmühle im Duisburger Innenhafen hat man nun Gelegenheit, den frühen Gursky mit dem aktuellen zu vergleichen, der eine weite Strecke zurückgelegt hat. Heute arbeitet er mit riesigen Formaten, die man vor 40 Jahren rein technisch nicht einmal für möglich gehalten hätte. Und entsprechend plakativ, ja politisch fallen die Botschaften dieser XXL-Formate aus: der komplett mit Gold ausgekleidete Raum in „Katar“ (2012) etwa, oder die „Kreuzfahrt“-Aufnahme (2020) von einem neuen Hochhaus-Giganten der Meere, von denen die Welt längst weiß, wie gewinnbringend, aber auch schädlich und überflüssig sie sind. Oder das Bild „Rhein III“ (2018), eine Fortschreibung jenes „Rhein II“-Motivs, das mit einem Auktionsergebnis von 3,1 Millionen (2011) zeitweise die teuerste Fotografie der Welt war und der rot-grünen Regierung 2002 für ihre Wahlkampagne zur Verfügung gestanden hatte. „Rhein III“ zeigt die vormals grünen Gras-Streifen am unbelebten Rheinufer nun in hitzegegilbtem Ockerton.

Und während diese Bilder nun tatsächlich – zum Teil mit digitaler Bearbeitung – von Menschen befreit sind, mischt Gursky in der Aufnahme „Rückblick“ von 2015 Humor und Historie: Wir sehen in der Küppersmühle vier Hinterköpfe,

Andreas Gursky: Apple, 2020.
Andreas Gursky: Apple, 2020. © Andreas Gursky VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Courtesy: Sprüth Magers

offenbar durch ein Fenster fotografiert, und rätseln nur einen Augenblick, bis wir Angela Merkel an der Frisur erkennen; da sich über dem weißhaarigen Herrn, dem sie sich zuzuwenden scheint, eine Zigarettenrauchwolke kräuselt, können die anderen beiden rechts und links von Merkel und Helmut Schmidt nur Gerhard Schröder und Helmut Kohl sein.

Flugtafel am Airport Frankfurt und die sprechende Apple-Architektur

Gegenüber freilich eine eher unsubtile Kritik am Polit-Betrieb: Mehr oder minder prominente Figuren aus dem Berliner Bundestags-Establishment sind unter eine Bambus-Angel und vor eine Uhr montiert, von der man nicht recht weiß, ob sie fünf vor eins oder fünf nach elf zeigt… Ganz anders die fast allegorische „Apple“-Architektur-Aufnahme aus dem vergangenen Jahr: Wie bei scheinbarer Transparenz der Fassaden das Wesentliche im Hintergrund unsichtbar bleibt, das ist, bei aller formalen Eleganz der Komposition, eine unmissverständliche Botschaft. Ebenso das Bild von der Flugtafel am Airport Frankfurt, die fast 400 Verbindungen anzeigt.

Diese Gursky-Schau, die wie selbstverständlich auch seine Klassiker wie „Montparnasse“ oder die Weißkaue von „Hamm, Bergwerk Ost“ umfasst, besteht aus gerade einmal 60 Bildern aus 35 Jahren – wer sie hinter sich gelassen hat, wird glauben, dass es doppelt so viele waren, so sehr beeindruckt jedes einzelne.