Dortmund. „Der Hetzer“ an Dortmunds Oper versucht Verdis „Otello“ neu zu erzählen. Das Ergebnis ist kompositorisch voller Schwächen, die Sänger begeistern.

Der österreichische Komponist Bernhard Lang liegt richtig, wenn er in Shakespeares Jago den Prototyp eine rassistischen und empathielosen „Hetzers“ sieht. Wenn es um die Mobilisierung niederer Instinkte geht, ist die Geschichte um den schwarzen Aufsteiger Othello erste Wahl. Ein Stoff, der Zündstoff für Opernformate außerhalb der genialen Version Verdis bereithält. Worin allerdings der Sinn in einer „Überschreibung von Giuseppe Verdis Otello“ liegen soll, (Untertitel von Langs neuer Oper „Der Hetzer“), konnte die Uraufführung im Dortmunder Opernhaus nicht schlüssig erklären.

Lang behält die Handlung des Stoffs im Wesentlichen bei, transformiert allerdings den venezianischen Titelhelden in den Bootsflüchtling Joe Coltello um, der es trotz seiner Hautfarbe zum Polizeichef bringt und die begehrenswerte Desirée alias Desdemona erobern kann. Was den bösen Jack Natas (Jago) antreibt, seinen Vorgesetzten in den Wahnsinn zu treiben. Eine Deutung, die jede Inszenierung der klassischen Vorlagen verkraften könnte. Was Lang allerdings nicht genügt. Er übergießt Ausschnitte aus Verdis Oper mit schemenhaft verschleierten Klangkreationen, setzt harte Schnitte, bevor man sich zu sehr in die genialen Töne Verdis verlieben könnte, arbeitet mit banalen rhythmischen Floskeln und mixt Textteile von Shakespeare und Boito zusammen, die in simpler Machart penetrant wiederholt werden.

Das Ergebnis der musikalischen Melange: Die originalen Beiträge Verdis verlieren ihre Suggestivkraft, die eigenen Anteile Langs verharren in steriler Banalität. Was nicht heißen soll, dass es Lang den Ausführenden leicht macht. Orchester, Chor und erst recht die Protagonisten haben Aufgaben zu bewältigen, die denen Verdis nicht nachstehen. Skurril, dass die Orchester- und Chorstimmen pandemiebedingt vorab aufgenommen wurden und im Playback abgespielt werden. Kapellmeister Philipp Armbruster steht allein im Graben und dirigiert ein imaginäres Orchester. Ebenso skurril, dass die stärksten kreativen Impulse von eingestreuten Raps zu Themen wie Hass, Liebe und Eifersucht einem Schreibworkshop mit 16 Jugendlichen des Dortmunder „Jugendforums Nordstadt“ entstammen und von den jungen Rappern IndiRekt und S.Castro virtuos präsentiert werden.

Der ansonsten musikalisch brüchigen Fassade helfen Regisseurin Kai Anne Schuhmacher, die Ausstatter Tobias Flemming und Hedda Ludwig sowie der Video-Designer Stephan Komitsch per Bühnenshow optisch auf die Sprünge – durchhaus mit szenischer Fantasie.

Gesanglich besticht die Produktion durch ein überragendes Niveau. Mit substanzreiche, Bariton und seiner bestrickender Bühnenpräsenz gestaltet Mandla Mndebele die Titelrolle. Mit mädchenhafter Anmut und großen lyrischen Qualitäten überzeugt die isländische Sopranistin Álfheiður Erla Guðmundsdóttir als Desirée und der Countertenor David DQ Lee stellt stimmlich und darstellerisch einen Ausbund an Verschlagenheit dar. Der Beifall fiel freundlich aus für eine Otello-Adaption, mit der Lang Verdis Oper nichts an Erkenntnisgewinn oder eigenem musikalischem Profil entgegensetzt.

Nächsten Aufführungen am 3. und 17. Oktober (Karten-Telefon: 0231/502 72 22; www.theaterdo.de).