Herne. Bei der 9. Kulturkonferenz des Regionalverbands Ruhr gingen Experten in Herne der Frage nach, ob Kultur die Innenstädte des Reviers beleben kann.

Kann die Kultur unsere schwindsüchtigen Innenstädte beleben? Die 9. Kulturkonferenz des Regionalverbands Ruhr im Kulturzentrum Herne gab erwartungsgemäß ein schwungvolles „Ja!“ als Antwort. Allerdings wurde auch klar, dass dies nur unter bestimmten Bedingungen funktionieren kann.

Am klarsten umriss sie der Architekturprofessor und -kritiker Niklas Maak, der als kleine Verbeugung vor seinen Gastgebern angab, vom notorischen Optimismus des Ruhrgebiets inspiriert worden zu sein – „mir als Hamburger kam das Ruhrgebiet seit der ersten Begegnung immer wild und abenteuerlich vor“.

Wieder-Etablierung der Einheit von Wohnen und Arbeiten

Maak mokierte sich darüber, dass man seit den 80er-Jahren die Verdrängung der kleinteiligen Eigentümer-Läden in den Innenstädten beklagt habe – und nun ausgerechnet dann Tränen verdrücke, „wenn H & M wegzieht“. Maak schlug vor, die freiwerdenden Räume (auch die der wegen Homeoffice immer weniger gebrauchten Büros) für eine Wieder-Etablierung der Einheit von Wohnen und Arbeiten (etwa für Handwerker) zu nutzen; dann müsse man allerdings auch zumindest für eine Versuchs-Phase die Lärmschutzordnung etwas flexibler handhaben, weil Arbeit ja nicht immer still zu erledigen sei.

Überhaupt sollten Leerstände zu „Proberäumen“ im doppelten Sinne werden – nicht nur für künstlerische Übungen aller Art, sondern auch für gesellschaftliche Experimente. Architektonisch gebe es längst Vorbilder für die kreative Umnutzung ehemaliger Büro- und Geschäftsräume vor allem für so dringend benötigten Wohnraum – Terrassengärten inklusive.

„Superblocks“ in Barcelona dienen als Beispiel

Im Grunde plädierte Maak für einen „grundlegend neuen Stadtaufbau“ der auch Kultur neu definiere: Nicht nur als Kunstproduktion, sondern als Arbeitskultur einer Produktion, die nicht unbedingt so effizient und kommerziell sein müsse wie die bisherigen Nutzungen. Dazu müsse die Politik allerdings „die Macht der Immobilien-Entwickler“ brechen. Im Moment seien sie es noch, die definierten, was Stadt ist und was nicht. In Barcelona ist das zumindest teilweise schon anders. Dort hat man mit der Einrichtung von „Superblocks“ schon einen Schritt in die von Maak skizzierte Richtung unternommen.

Josep Bohigas von der örtlichen Stadtentwicklungsagentur stellte das Konzept in Herne vor: Jeder Superblock besteht aus vier bis neun Wohnblöcken der früheren „Eixample“-Stadterweiterung im 19. Jahrhundert, die schon solche Kleinstädte in der Stadt erzeugen sollte. Doch der zunehmende Autoverkehr fraß im Laufe des 20. Jahrhunderts all die Parks, Plätze und Freiflächen, die für die Quartiersbewohner vorgesehen waren. Nun werden die „Superblocks“ autofrei gehalten; und sie sind so durchmischt konzipiert, dass die Bewohner so gut wie alle lebensnotwendigen Dinge im eigenen Viertel erledigen können. Jeder Superblock ist im Grunde eine kleine Stadt für sich und gewinnt dank besserer Luft und besserer Kontakte zwischen den Menschen seine alte Lebensqualität wieder zurück.

Bleibt vielleicht nur noch, dem Ruhrgebiet ähnlich viel politische Gestaltungskraft und Mut zum Experiment zu wünschen.