Essen/Heiligenhaus. Öffentliche Musikschulen in NRW erhalten 10 Millionen Euro mehr an Fördermitteln. Zwei Musikschulleiter erzählen, wo es dringenden Bedarf gibt.

Von Clara Schumann bis hin zu Max Bruch: Viele Musikschulen tragen den Namen bedeutender Komponistinnen und Komponisten, Pädagoginnen und Pädagogen, Musikerinnen und Musikern. „Sie alle haben die Musikschullandschaft in Nordrhein-Westfalen geprägt“, sagt NRW-Kulturministerin, Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos). „Und ich verstehe es als meine Aufgabe, gute Voraussetzungen für die Entwicklung musikalischer Talente hier in NRW zu schaffen, die in zehn, zwanzig Jahren, selbst zu Namensgeberinnen und Namensgebern werden könnten.“

Dafür möchte das Land öffentliche Musikschulen mit zusätzlichen 10 Millionen Euro pro Jahr fördern. Damit wird die Förderung mehr als verdreifacht. Über 7 Millionen Euro Fördermittel sollen die Qualität der Musikschulbildung der Kommunen in NRW stärken. „Wir unterstützen die Zukunftsfähigkeit der Musikschulen und verbessern mit 100 neuen Vollzeitstellen die personelle Situation nachhaltig“, sagt Pfeiffer-Poensgen.

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6,2 Millionen Euro sollen in die Digitalisierung der Musikschulen fließen. Mit den Mitteln solle technische Ausstattung, wie Tablets, Laptops oder Videostudios finanziert werden, die den Musikschulen die Umsetzung digitaler Formate ermögliche. Laut der Kulturministerin ist es ein wichtiges Signal, dass sich bereits 50 Kommunen mit dem Land zur Stabilität der Musikschulen in NRW bekennen würden.

Häufige Fluktuation bei Honorarkräften

Die Musikschule Heiligenhaus wird seit dem 1. August gefördert. Mit den rund 26.000 Euro Fördermitteln konnte bereits ein Musikschullehrer mit früherem Honorarvertrag auf eine halbe Stelle wechseln, die auf drei Jahre befristet ist. Das Ziel: die Stelle langfristig finanzieren. „Das ist richtig und wichtig“, betont Christopher Thomas, Leiter der Musikschule. Denn bei Honorarkräften gebe es häufig ein Kommen und Gehen: „Ein Klavierkollege war zum Beispiel nach einem halben Jahr wieder weg. Das geht Knall auf Fall“, sagt Thomas. Vor allem für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihre Arbeit hauptberuflich an der Musikschule machten, seien Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (TVöD) wichtig: „Unsere Schule braucht Kollegen, die kontinuierlich da sind und auf die wir bauen können.“

Christopher Thomas, Leiter der Musikschule Heiligenhaus: „Auch wenn es nur online war, hat man die Freude der Kinder gespürt. Alle waren immer pünktlich und haben mit strahlenden Augen am Unterricht teilgenommen.“
Christopher Thomas, Leiter der Musikschule Heiligenhaus: „Auch wenn es nur online war, hat man die Freude der Kinder gespürt. Alle waren immer pünktlich und haben mit strahlenden Augen am Unterricht teilgenommen.“ © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Gerade in der Corona-Zeit ist es für die Musikschulen herausfordernd, die Kontinuität des Musikunterrichts aufrechtzuerhalten. Durch Unterstützung der Stadt Heiligenhaus sei dies aber gelungen, sagt Christopher Thomas. So konnten 80 Prozent des Unterrichts online fortgeführt werden. „Die Stadt hat uns schnelles Wlan und zehn I-Pads zur Verfügung gestellt. Von unserer Kommune erfahren wir als Musikschule viel Wertschätzung.“ Für die Zukunft wünscht sich der Musikschulleiter, dass jede Lehrerin und jeder Lehrer zusätzlich mit einem Tablet ausgestattet wird. Mit 17 Lehrkräften und 560 Schülerinnen und Schülern gehört die Musikschule Heiligenhaus zu den kleineren Schulen in NRW.

Die Musikschul-Offensive wertet er als ein „gutes Signal“. Und er hofft, dass die Musikschulen damit einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft bekommen. Denn gerade die Pandemiezeit habe gezeigt, wie wichtig es für die Kinder und Jugendlichen ist, ihr Hobby beibehalten zu können. „Auch wenn es nur online war, hat man die Freude der Kinder gespürt. Alle waren immer pünktlich und haben mit strahlenden Augen am Unterricht teilgenommen.“

Gedanke des Vernetzens steht im Fokus

Die Folkwang Musikschule der Stadt Essen gehört mit rund 200 Lehrkräften und 10.500 Schülerinnen und Schülern zu einer der großen Musikschulen Deutschlands. Von den 200 Lehrerinnen und Lehrern haben 70 Honorarverträge. Mit einer Förderung von rund 70.000 Euro wünscht sich Bernd Mengede, Leiter der Folkwang Musikschule, die Etablierung einer TVöD-Stelle im Bereich der bildenden Kunst. „In Essen gibt es kein städtisches pädagogisch-methodisches Unterrichtsangebot für Bildende Kunst, das sich an Kinder und Jugendliche wendet – außer einem kleinen Kursprogramm der Folkwang Musikschule, das derzeit durch eine Honorarkraft geleistet wird“, sagt Bernd Mengede. „Optimal wäre die Besetzung mit einer Person, die Qualifikationen aus Kunst- und Musiksparten vorweisen kann.“

Bernd Mengede, Leiter der Folkwang Musikschule: „Ich wünsche mir, dass der Musikunterricht ein selbstverständliches kostenloses Standardangebot in den Kommunen wird.“
Bernd Mengede, Leiter der Folkwang Musikschule: „Ich wünsche mir, dass der Musikunterricht ein selbstverständliches kostenloses Standardangebot in den Kommunen wird.“ © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Bei diesem „Pilotprojekt“ stehe der Gedanke des Vernetzens im Fokus, so der Leiter. So könnten sich mit Schaffung der neuen Stelle neue digitale Möglichkeiten für die Musikschule ergeben. Bernd Mengede denkt dabei an interaktive Kunst- und Musikensembles, die per Smartphone miteinander vernetzt sind.

Mit der Musikschul-Offensive erhofft sich der Leiter einen verstärkten öffentlichen Fokus auf die Musikschulen. „Musik muss für alle Menschen niedrigschwellig zugänglich sein“, betont er. „Deshalb wünsche ich mir, dass der Musikunterricht ein selbstverständliches kostenloses Standardangebot in den Kommunen wird.“

NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen spricht von einem „guten Tag für die öffentlichen Musikschulen“. Denn die Ministerin selbst war von 1989 bis 1999 Kanzlerin der Hochschule für Musik in Köln. „Dort haben wir viele Jahre Musiklehrerinnen und Musiklehrer ausgebildet“, sagt Pfeiffer-Poensgen. Und es sei wichtig, dass diese Lehrkräfte nach der Ausbildung adäquat beschäftigt würden: „Wer Musikschulen, musikalische und kulturelle Bildung fördert, der tut auch etwas für die Demokratie.“