Duisburg. Ein kunterbunter Stilkompott: Die Musiktheater-Kreation „D.I.E.“ bei der Ruhrtriennale gerät zur wilden Multivisions-Schau ohne tieferen Sinn.

„D.I.E.“: Hinter dem geheimnisvollen Namen verbirgt sich die zweite musiktheatralische Kreation der Ruhrtriennale 2021, die jetzt in der Kraftzentrale des Duisburger Landschaftsparks aus der Taufe gehoben wurde. Nach Olga Neuwirths Oper „Bählamms Fest“ zum tiefgründigen Libretto von Elfriede Jelinek ist mit dem Musiktheater von Michael Wertmüller „produktive Orientierungslosigkeit“ angesagt: „Eine Sinn- und Bedeutungssuche wäre aussichtslos“, heißt es im Programmheft.

„D.I.E.“, benannt nach einem Künstlerbuch von Albert Oehlen, ist eine Gemeinschaftsproduktion des Komponisten Michael Wertmüller, des Malers Albert Oehlen und des Schriftstellers Rainald Goetz. Text, Musik und Bild werden zu einer raffinierten und technisch aufwendigen Collage zusammengeführt, in der sich die Genres ästhetisch ergänzen sollen.

Verzicht auf eine ideelle Botschaft

Wenn sich drei Opernsängerinnen, eine Rapperin und eine laszive Conférencière mit einem Streichquartett, einem avantgardistischen Instrumentalensemble, einer Punk-Band und allerlei elektronischen Zutaten zu abstrakten Projektionen und sinnfreien „Wenig-Wort-Texten“ zusammenschließen, ist ein kunterbunter Stilkompott garantiert. Durch den Verzicht auf eine ideelle Botschaft wirkt die multimediale Revue wie Dada im Lifestyle-Zeitalter.

Geschickt nutzt die Regisseurin Anika Rutkofsky die riesigen Dimensionen der Duisburger Kraftzentrale. Die Musikensembles und ein Laufsteg flankieren die mit transparenten Projektionsflächen drapierten Seiten der Halle. Geboten wird ein unverstellbarer Rundumblick. Das Publikum sitzt in der Mitte und kann den wechselnden Szenarien auf drehbaren, mit kurzen Rückenlehnen versehenen Melkschemeln rotierend folgen. 14 kurzen, im Wesentlichen sinnfreien Gedichten von Reinald Goetz folgen musikalische Kreationen unterschiedlichster Art: von hartem Punk, exzessivem Rap über raffinierte avantgardistische Experimente bis zu milderen Streicherklängen und schwindelerregenden Koloraturgesängen.

Grafiken auf Grundlage von Albert Oehlens Kohlezeichnungen

Dazu erscheinen auf den Projektionsflächen bewegte, dreidimensionale Grafiken auf der Grundlage von Kohlezeichnungen Albert Oehlens. Filigrane, pointilistische Girlanden, die an Chromosomenfäden, galaktischen Sternenstaub oder an pflanzliches Gestrüpp erinnern. Durch die transparenten Gazestoffe verwachsen die Grafiken mit den Darstellerinnen zu faszinierenden Organismen.

Im Unterschied zu den Texten und Grafiken geht es musikalisch robuster zu. Zumindest, was die Lautstärke angeht. Das passt, wenn die dreiköpfige Band „Jealous“ aus Berlin kräftig rockt oder Catnapp aus vollen Rohren rappt. Wenn Komponist Michael Wertmüller allerdings das mit Jazz, Neuer Musik und Rock vertraute Ensemble „Steamboat Switzerland“, das Asasello Streichquartett und die drei Opernsängerinnen Caroline Melzer, Sarah Pagin und Christina Daletska zu einem Dauerbeschuss in Fortissimo-Stärke anhält, übertönt er viele differenzierte Töne seiner Arbeit.

D.I.E. – Es gibt viel zu sehen und noch mehr auf die Ohren

Erst gegen Ende finden sich auch ruhigere Passagen, in denen die Sängerinnen jenseits der Schallmauer nicht nur brüllen, sondern auch richtig singen dürfen. Zu erwähnen sind noch die darstellerischen, teilweise akrobatischen Leistungen der Schauspielerin Sylvie Rohrer als Conférencière und die souveräne musikalische Leitung durch Titus Engel.

Eine wilde, perfekt abspulende Multivisions-Schau ohne tieferen Sinn, bei der es viel zu sehen und noch mehr auf die Ohren gibt.

Die nächsten Aufführungen in der Kraftzentrale des Duisburger Landschaftsparks: 4., 5., 11. und 12. September. Tickets: ruhrtriennale.de