Voller melancholischer Schattierungen: In François Ozons Film „Frantz“, der wenige Wochen nach dem Ersten Weltkrieg spielt, scheint ein anderes Europa auf.

Den jungen Franzosen Adrien hat es wenige Monate nach Ende des Ersten Weltkriegs nach Deutschland gezogen. Die Schrecken der Schützengräben und die Schuld, die er in ihnen auf sich geladen hat, ließen ihm keine Ruhe. Er musste einfach nach Quedlinburg kommen. Am Grab des deutschen Soldaten Frantz Hoffmeister begegnet er dessen Verlobter Anna. Sie ist es, die ihn überredet, Frantz’ Eltern zu besuchen. Ihnen erzählt er eine Geschichte von einer Freundschaft, die begann, als Frantz vor dem Krieg in Paris studiert hat.

Diese kleinen Episoden aus der Zeit vor dem großen Schlachten stehen lange im Zentrum von „Frantz“, François Ozons freier Adaption eines Bühnenstücks, das Ernst Lubitsch schon 1931 unter dem Titel „Broken Lullaby“ in Hollywood verfilmt hat. Wenn der von Pierre Niney gespielte Adrien von Frantz spricht und voller Schwärmerei gemeinsame Geigenstunden und Besuche im Louvre beschreibt, schenkt er Anna (Paula Beer) und dem Ehepaar Hoffmeister (Ernst Stötzner und Marie Gruber) nicht nur einige glückliche Momente. In diesen Szenen, die Ozon mit einer ungeheueren Zartheit bebildert, scheint eine andere Historie auf, ein anderes Europa. Der Krieg war eben nicht nur mörderisch und unsinnig. Er wäre auch zu verhindern gewesen, wenn Deutsche und Franzosen aufeinander zugegangen wären.

Das klare, sehr kontrastreiche Schwarzweiß, das Ozons Historienfilm fast schon in die Nähe von Michael Hanekes „Das weiße Band“ rückt, beschwört auf eindrucksvolle Weise das Jahr 1919 mit all seinen Verwerfungen herauf. Aber Ozon geht es in dieser deutsch-französischen Produktion um weit mehr als nur um die Zeit nach dem großen Krieg. Wenn er vom Hass der deutschen Kleinbürger auf die Franzosen und vom nationalistischen Furor der Franzosen erzählt, geht es auch um das Europa unserer Tage. In dem unversöhnlichen Auftreten von Johann von Bülows Revanchisten Kreutz, der von Ernst Stötzners Hoffmeister in seine Schranken gewiesen wird, schwingen genau die nationalistischen Töne mit, die mittlerweile wieder erklingen.

Dieser simplen, schwarzweißen Sicht der Welt hält Ozon mit „Frantz“ die ebenso komplexe wie verführerische Vision eines Lebens entgegen, das den Schmerz und die Verletzungen für einen Neuanfang nutzt. Er kontrastiert die traurige, von Wut erfüllte Wirklichkeit seiner Figuren immer wieder mit kurzen farbigen Einschüben, in denen die Schönheit der Natur und der Zauber der Kunst den Menschen eine andere, nicht von Hass und Gewalt geprägte Welt offenbaren.

So wie Adrien nach Deutschland gekommen ist, geht Anna später nach Frankreich. Auch dort erwarten die unverheiratete Witwe Enttäuschungen. Trotzdem gelingt es ihr, sich durch die Kunst zu befreien. Das mag ein Traum sein. Aber so wie Ozon ihn in Szene setzt, hat er das Potenzial, etwas zu verändern.