Essen. Das Ruhrparlament hat sich dafür entschieden, das Revier als industriekulturelle Einheit auf die Kandidatenliste zum Welterbe setzen zu lassen.

Neue Image- und Vermarktungs-Chance für das Revier oder ein nostalgischer Kunstharz-Guss über die Region? Die Debatte um den Versuch, den Unesco-Welterbestatus der Essener Zeche Zollverein auf 131 weitere Orte, Bauten, Flüsse und Verkehrswege im Ruhrgebiet auszudehnen, trieb Risse quer durch die Fraktionen im Ruhrparlament. Sozialdemokraten stritten mit Sozialdemokraten, Christdemokraten gegen sie und untereinander. Am Ende spaltete die Frage sogar die große Koalition aus SPD und CDU – eine recht bunte Mehrheit aus SPD, Grünen, Linken und FDP war für den Versuch, den Welterbestatus für das Ruhrgebiet als Industrieregion anzustreben. Freilich war der Beschluss, den Antrag „Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ zu unterstützen, mit einer kleinen Ohrfeige versehen. Denn gleichzeitig wurde die Verwaltung des Regionalverbands Ruhr beauftragt, den bisherigen Bewerbungsprozess kritisch aufzuarbeiten. Das von der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur vorangetriebene Verfahren, die Einbindung der Stadt- und Gemeinderäte und des Ruhrparlaments sei „verbesserungswürdig“, hieß es deutlich kritisch. Und: „Risiken und Chancen“ einer Welterbe-Bewerbung des Ruhrgebiets müssten „weiter diskutiert werden“.

Frühestens 2023 kann das Revier auf die Kandidatenliste fürs Unesco-Welterbe rücken

Ohnehin muss der besagte Antrag „Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ noch einen weiten Weg zurücklegen, bevor überhaupt die Unesco über ihn abstimmt.

Zustandegekommen ist der Ruhrparlamentsbeschluss letztlich auf Druck der Landesministerin für Bauen und Heimat Ina Scharrenbach (CDU). Sie muss erst einmal nach dem Gutachten einer Fachjury mit einem Kabinettsbeschluss im Herbst dafür sorgen, dass Nordrhein-Westfalen das Ruhrgebiet auf Bundesebene als Kandidat für die deutsche Welterbe-Kandidatenliste der Kultusministerkonferenz durchzusetzen versucht. Das wäre frühestens 2023 der Fall.

Bis dann die Unesco über einen solchen Antrag entscheidet, könnte gut und gern noch ein halbes oder ganzes Jahrzehnt ins Land gehen; denn jedes Mitgliedsland der Unesco darf pro Jahr nur noch einen Welterbe-Kandidaten vorschlagen. Und bundesweit sind noch etliche andere Kandidaten wie das Residenzensemble Schwerin vorher an der Reihe. Dabei handelt es sich ja immer noch um Kandidaturkandidaten. Ein echter Kandidat sind die rheinischen Städte Mainz, Worms und Speyer, die sich als „Schum“-Städte (nach den jüdischen Namen) mit ihrem jüdischen Kulturerbe um den Welterbe-Titel bewerben – darüber soll die Unesco-Kommission Ende Juli beraten. Und der Limes, der bisher nur in Teilstücken Welterbe ist, steht auch noch auf der echten Kandidaten-Liste – jedes Land kann nur noch eine neue Welterbestätte pro Jahr geltend machen