Essen. Bei Oscar Wildes wenig gegenwärtigem „Bunbury - Ernst ist das Leben“ im Essener Grillo-Theater bleibt das Lachen meist in der Maske stecken.

Es ist sicher nicht verkehrt, im Theater nach den bleiernen Monaten der coronaren Unsichtbarkeit zunächst einmal auf etwas Leichtes zu setzen, auf Heiterkeit und Frohsinn. Schlimm genug, wenn die Publikumsreihen im Parkett aus Sicherheitsgründen so wirken wie ein ruinöses Gebiss, dem Lücken zum Hauptbestandteil geworden sind. Und dass die Menschen, auf deren Hinterköpfe man da schaut, plötzlich alle Segelohren bekommen hätten, stimmt ja auch nicht – solche unfreiwilligen Scherze erlauben sich eben stramme Maskengummis. Die ja nötig sind, weil Lachen die Aerosolbildung fördert: Tragik der Komödie in Zeiten von Corona.

Warum also nicht den Wiedereinstieg ins Theaterleben mit Oscar Wildes Bühnenrenner „Bunbury“ wagen, wie es das Essener Schauspiel jetzt unternommen hat? Seit über 120 Jahren sagt das Stück den Gesellschaften die böse Wahrheit mit einem Lachen ins Gesicht. Das Falsche und Verlogene kommt hier in der Maske großbürgerlicher Wohlerzogenheit daher – und am Ende zersetzt der Säurefraß der Ironie alle Maßstäbe, weil sich herausstellt, dass all die hässlichen und bösen Charaktereigenschaften in ihrer zivilisierten Form den ganzen Laden am Laufen halten. Wer sich all das anschaut und tatenlos bleibt, beteiligt sich am allgemeinen Zynismus, wissentlich, mit einem ironischen Lächeln.

Songs wie Leonard Cohens „Dance me to the end of love“ oder „Love is in the air“

Das klingt nicht eben gestrig, und doch kommt die Essener Inszenierung von Susanne Lietzow mit einem Hauch von Theatermuseum daher, was bei den exaltiert britischen, meist historisierenden Kostümen (Marie-Luise Lichtenthal) und einem Riesensofa mit Chesterfield-Polsterung beginnt und von Slapstick-Szenen eher vertieft als konterkariert wird. Die wesentliche Regie-Zutat sind Songs von „My way“ über Leonard Cohens „Dance me to the end of love“ bis „Love is in the air“ (in denen indes mehr retardierende Momente als Brücken in die Gegenwart stecken) und einige Gags, deren imposantester in Form von haushohen Kunstblumentöpfen den dritten Akt optisch dominiert (Bühne Aurel Lenfert).

Was als Andeutung von neuer Spießigkeit in XXL gelesen werden könnte, fügt sich allerdings auch in die Tendenz zum Schrillen, der vor allem Lene Dax als Gwendolen und Beatrix Strobel als Cecily nachgehen. Janina Sachau macht ihre Miss Prism zu einem sängerischen Ereignis, Ines Krug zeichnet Lady Bracknell gekonnt als Typen-Karikatur. Dass es in „Bunbury“ nicht nur um Schein und Sein geht, sondern auch um die heikel gewordene Identität, schimmert durch Dennis Bodenbinders anfangs noch sehr androgynen Algernon hindurch – hier bietet Elfriede Jelineks Textbearbeitung mehr Chancen als gelegentlich aufblitzende „Gutmenschen“ oder Rollentausch-Komik.

Begeisterter Beifall nach zwei Stunden ohne Pause

Das Premierenpublikum aber zeigte sich nach zwei Stunden ohne Pause mit einem langen, herzlichen und über sämtliche Publikumslücken hinwegtäuschenden Applaus so begeistert, wie man es nach einer monatelangen Theater-Durststrecke erwarten durfte – auch wenn nicht einmal alle Plätze der erlaubten 25-Prozent-Auslastung besetzt waren.

Termine: 10., 12. und 27. Juni sowie 1. und 2. Juli. Online-Reservierung und negativer Corona-Test (jünger als 48 Stunden) erforderlich.