Essen. Der ewige Hippie und „Pott-Poet“ Stefan Stoppok wird 65. Gefeiert wird mit einem mehrstündigen Streaming-Livekonzert aus dem „Politbüro“ Hamburg.

Noch bevor Stefan Stoppok am Sonntag das Mindestalter von 65 Jahren erreichen wird, hat die Bahn dafür gesorgt, dass seinen wunderbaren Song von 1990 über „die harte Zeit zwischen Twen-Tours und Seniorenpass“ heute kein Mensch mehr versteht. Die Ermäßigungen heißen jetzt Bahncard, und die für Senioren gibt es ab 60.

Aber auch fünf Jahre drüber ist Stoppok einer, der wie kaum ein zweiter Musiker hierzulande auf gut Deutsch beschreibt, wo die Zeit überall aus dem Gleis gerät, wo wir nur noch Bahnhof verstehen, warum Menschen unter die Räder kommen und wofür es allmählich höchste Eisenbahn ist.

Der „Pott-Poet“ kommt eigentlich aus Hamburg

Man kann es seltsam finden, dass ein Mann, der vor 65 Jahren in Hamburg zur Welt kam, der in den letzten Jahrzehnten wegen des schönen Ausblicks meist in Bayern gelebt hat und jetzt wegen der schönen Frau wieder in Hamburg wohnt, immer noch als „Pott-Poet“ apostrophiert wird. Aber wer nur mal reinhört bei Stoppok, erkennt den schnodderig-nöligen Zungenschlag eines ewigen Hippies, der in Essen groß wurde – und von Essen noch größer gemacht wurde, weil dem Hochschulbewerber Stoppok ein Folkwang-Prof einst die Tür wies mit dem Rat, die Musik doch aufzugeben.

Diesem Mann zu zeigen, wie böse er sich geirrt hat, dürfte auch ein Antrieb für Stoppoks Karriere gewesen sein – die ihn deshalb nicht in die erste Reihe neben Grönemeyer oder Westernhagen geführt hat, weil ein Stoppok auf Konventionen pfeift, sich keiner Marketing-Strategie beugt. Weil seine Texte nicht verschwurbelt sind, sondern geradeaus auf die Zwölf. Und weil er ein begnadeter Bluesrocker bleibt, auch wenn er mal steinerweichende Liebeslieder voller Melancholie und Sentiment schreibt, ohne im Kitsch zu landen („Aus dem Beton“, „Tage wie dieser“). Stoppok, der auch das harte Brot des Straßensängers überstand, hat die Sprache wie vor ihm nur Udo Lindenberg und Wolfgang Niedecken an den Rocksound angeschmiegt, dass sie passt wie sonst das Englische: „Man will ja nur, dass einer kein Scheiß erzählt / Dass er nicht so tut, als ob er Ahnung hätt / Obwohl er doof ist wie ein Fensterbrett.“

Alben wie „Operation 17“ und „Jubel“ sind Meilensteine

Stoppoks Alben? Immer ein Ereignis, auch mit den letzten beiden „Operation 17“ und „Jubel“ sind ihm wieder Meilensteine gelungen. Doch seine Hits sind immer heimliche, das unverwüstliche „Ärger“ in seinen vielen Fassungen oder „Dumpfbacke“, „Wetterprophet“ und „Cool durch Zufall“; seine Coverversionen (etwa von Fleetwood Macs „Oh well“) sind umwerfend. Er sucht sich stets Mitmusiker auf Augenhöhe wie Reggie Worthy, Danni Dziuk oder die texanische Rockerin Tess Wiley – und hat spürbar Spaß daran, wenn sie ihm mal die Show stehlen.

Stoppoks Verbindungen ins Revier sind nie abgerissen, zumal er sich auf seine riesige Fan-Base hier verlassen kann. Als im September 2004 der Essener Kneipensänger und Thekenschreck „Günni“ Semmler starb, mit dem er ein Album produziert hatte („Stoppok, Du machs mich mein Herz am Tanzen“), schrieb er einen herzwarmen Nachruf voller Bewunderung für ein Menschen-Original, dem er es nicht mal übel nahm, dass er ein miserabler Musiker war. Und als ein unerwarteter Interpret fürs Steigerlied gesucht wurde, war Stoppok im letzten Jahr des Ruhrbergbaus zur Stelle – und machte einen Stoppok-Song im Stoppok-Sound draus.