Essen. Ein Weltstar wird ausgebremst: Diana Damraus Dortmunder Konzert fällt aus. Uns gibt sie ein Interview über Königinnen, den Lockdown, die Macht.

Fans hatten dem morgigen Klassik-Ereignis über Monate entgegengefiebert, aber die Pandemie-Regeln machen auch für Deutschlands erfolgreichste Sopranistin keine Ausnahme. Diana Damraus „Kings and Queens“-Abend fällt aus. Zum Trost gab der Weltstar unserer Zeitung spontan ein Interview. Lars von der Gönna sprach mit Diana Damrau (49) über den Lockdowns, Royals, rare Dirigenten – und ihre neue Namensvetterin am Himmel.

Gerne hätten die Opernfans des Reviers Sie im Konzerthaus Dortmund bejubelt. Corona hat anders entschieden. Wie halten Sie diese Zeit aus? Sie können sich ja nicht völlig zurücklehnen, sind eher im dauernden Stand-By...

Diana Damrau: Ja, es ist wirklich eine sehr, sehr schwierige Zeit. Aber: Ich könnte mein Leben nicht aushalten ohne zu singen, ohne die Musik. Insofern habe ich dann doch meinen Balsam, meine Medizin um mich. Aber es ist heftig derzeit: die dauernden Terminverschiebungen, die Absagen, immer neue „Corona“-Fassungen, mal Orchester, mal Klavier. Ein unentwegtes „Was wäre wenn?“ – und am Schluss findet’s dann doch nicht statt.

Kürzlich haben Sie mit dem Startenor Joseph Calleja für die Met in New York gestreamt – ganz ohne Publikum. Sie wirkten im wahrsten Wortsinn ziemlich allein. Wie war das?

Erstens: Den Druck reduziert das sicher nicht. Man singt derzeit kaum und dann schauen gleich Millionen zu (lacht). Zweitens: Was das virtuelle Publikum angeht – man weiß, es ist jemand da. Aber du spürst es nicht körperlich. Die Energie dieser Menschen fehlt, ihre physische Resonanz. Es ist wichtig, dass wir derzeit alle digital kreativ sind. Aber wir sind eben eine Live-Kunst. Im Saal klingen wir und das Orchester einfach anders als auf jeder Aufnahme, da können Sie machen, was Sie wollen. Diese Kunst muss man am eigenen Körper erfahren, ob Sie auf der Bühne sind oder im Parkett.

Sie blicken auf eine Riesenkarriere. Wie geht es jungen Gesangskollegen, Hochschulabsolventen?

Die sind derzeit leider komplett ausgebremst. Aber ich sage auch hoffnungsvoll: Jemand, der sich berufen fühlt, wird alles tun, das leben zu können – früher oder später. Klar, derzeit geht es nicht. Aber es wird einen nicht loslassen. Wichtig ist mir in dieser Zeit aber auch: Wir dürfen die Basis nicht verlieren, wir dürfen nicht kulturlos werden. Kultur und Bildung sind gesellschaftliche Pfeiler wie Gesundheit oder Wirtschaft. Gerade jetzt sollten wir die Liebe dazu schüren und das Bewusstsein dafür.

Ihr neues Album gilt den „Tudor Queens“ von Donizetti. Mir fällt auf, dass Sie diese Herrscherinnen an bestimmten Stellen extrem zart porträtieren. Geht es Ihnen da auch um das Thema der Verletzlichkeit in Machtpositionen?

Absolut. Ich denke, bei Frauen hat diese Macht noch einmal eine andere Art Bürde. Diese Königinnen mussten ihre Weiblichkeit verleugnen, Elisabeth etwa, oder alle individuellen Gefühle ihren Pflichten unterordnen. Mit der großen Gefahr, dass sie sich dabei als Menschen dauerhaft abhanden kommen, aus der Balance geraten oder sich ganz vergessen.

Im Booklet zur neuen CD verneigen Sie sich vor Antonio Pappano. Wird bei Opernstars die Leistung der Dirigenten unterschätzt?

Der Dirigent ist der wichtigste Partner. Er bringt alles zusammen. Und er sollte viel von der menschlichen Stimme verstehen. Sie ist ja ein Instrument aus Fleisch und Blut, aus Seele und Nerven. Da braucht man viel Wissen von der anderen Seite – damit das Instrument optimal zum Klingen kommt. Das ist die Aufgabe des Dirigenten. Sir Antonio beflügelt wirklich alle Beteiligten. Und ein toller Mensch ist er auch.

Sie sagten anfangs „sollte“...

Ja, es ist kein Geheimnis, dass erstklassige Operndirigenten nicht wie Sand am Meer vorhanden sind. Viele vom großen Schlag gibt es nicht.

Haben Sie eigentlich selbst einen Draht zu Königinnen?

In der Oper ganz bestimmt, schon durch die faszinierende „Königin der Nacht“, mit der ja bei mir alles anfing (lacht). Was echte Königinnen betrifft: Natürlich ist das für uns alle eine faszinierende Welt, aber man blickt auch in den Abgrund der Macht. Da bauen Menschen Mauern um sich, sie lassen nichts und niemanden wirklich an sich heran. Es gibt ab einer gewissen Hierarchie kein Vertrauen, mitunter nicht mal zwischen Mutter und Sohn… Alles in allem ein lebensgefährlicher Posten, die Oper zeigt das ohne Beschönigung.

Ganz oben zu sein, kaum noch ehrliche Berater zu haben: Eint das bis heute nicht alle Spitzenkräfte, ob Manager oder Starsopranistin?

Tja, ich fürchte: da ist was dran. Das ist so und war eben schon immer so. Was wir bei allen nicht vergessen dürfen: Es sind Menschen. Sie treffen – oft einsam -- Entscheidungen, aber sie müssen auch dafür einstehen. Eigentlich ist man allein...

Zum Schluss ein kleiner Lichtblick, Frau Damrau. Unlängst wurde ein Asteroid nach Ihnen benannt. Wie kamen Sie denn dazu?

Wie die Jungfrau zum Kinde (lacht). Ehrlich gesagt: Ich bin immer noch sprachlos über die Ehre, die mir damit zukommt, aber auch der Musik.

Wer entscheidet denn über solche Planeten-Taufen?

Ich weiß das gar nicht. Da gibt’s bestimmt ein Gremium. Sie haben recht: Ich muss mich unbedingt mit diesen Menschen mal zusammentun.

Selbst als Königin: Bis zum gleichnamigen Asteroiden kommt man selbst wohl nicht hinauf....

Na, wenn ich eines Tages – wenn mein irdisches Leben vorbei ist – als Seelchen reisen darf, besuch’ ich den dann sicher mal.

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DAS ALBUM

Das neue Album von Diana Damrau bietet große, effektvolle Oper. Die CD „Tudor Queens“ (Erato) umfasst Schlussszenen dreier Werke von Gaetano Donizetti: „Anna Bolena“, „Maria Stuarda“ und „Roberto Devereux“. Die üppig ausgemalten Schicksalsmomente am englischen Hof begleitet das Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia.

Dessen Chef, der von der Queen geadelte „Sir“ Antonio Pappano, ist in dieser Saison Artist in Residence in Essens Philharmonie, jedoch auch von Corona-Regeln ausgebremst.