Essen. Längst ist Diana Damrau ein deutscher Weltstar. Die Opern von New York bis Mailand reißen sich um sie. Ihr neues Album ist ganz dem Belcanto gewidmet.

Haben die Deutschen aktuell eine andere Sängerin, die so vieles in solcher Exzellenz singt? Dazu an der „Met“, der Scala gern gesehener Gast ist? Wohl kaum. Was Allrounder und Liebling Jonas Kaufmann fürs Tenorfach, ist Diana Damrau für weibliche Spitzentöne. Sie durchmisst die Seelenklüfte eines Kunstliedes nicht minder einfühlsam als sie die selbstvergessene Sinnlichkeit der „Traviata“ in Töne fasst. Schmerz und Schönheit der „Figaro“-Gräfin versteht sie so anrührend zu deuten wie sie zur blutigen Hingabe einer „Lucia di Lammermoor“ fähig ist.

Aus Überzeugung trägt sie die „Fiamma del Belcanto“ in ihrem jüngsten Album weiter. Was ihr am ewig brennenden Feuer italienischen Ziergesangs liegt? Der Spagat zwischen „seelischem Ausnahmezustand und Hochleistungssport für die Stimme“, sagt sie.

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Von Martina Schürmann und Lars von der Gönna

Als Hörer müssen wir aber doch von Herzen dankbar registrieren, dass Damrau eben keine von den kühlen Vokalartistinnen ist. Nie wird das Olympiareife dieser heiklen Arien von Donizetti (Rosmonda, Maria Stuarda) oder Bellini (Puritani, Somnambula) bei Diana Damrau zur Vorführung. Es ist allenfalls ein Gerüst (auf stupende Weise ein selbstverständliches), mit dem sie viel weiter emporsteigt. Tatsächlich ist die Kunst dieses wundervollen Belcanto-Albums, jeder der verzweifelt und verzweifelt schön singenden Heldinnen vor allem Seele und ganz individuelle dramatische Züge zu geben.

Immer von Wärme getragen

Unverwechselbar werden solche Rollenporträts bei Diana Damrau durchweg von lyrischer Wärme getragen. Selbst Rächerinnen klingen aus ihrer noch Spitzentöne weich und rund bildenden Kehle nach echten Menschen. Und wie raffiniert sie gestaltet: Ihrer „Traviata“ schenkt Damrau das fein abgedunkelte Timbre der erfahrenen Kurtisane, als Bellinis Nachtwandlerin setzt sie mit Raffinesse auf verträumte Koloraturen einer Unschuld vom Lande.

Man spürt: Hier werden, wie nicht selten bei koloraturbegabten Rivalinnen Damraus, keine Damen ohne Unterleib präsentiert, zirzensische Soprangestalten mithin. Damrau vertraut diesen extremen Figuren – und vertraut ihnen einen kerngesunden, seligmachend farbigen und bruchlos strömenden Sopran an. Zwei Zugaben führen in die Zeit nach der Belcanto-Epoche: Puccinis „Bohème“ und Leoncavallos „Bajazzo“. Auch da spielt Diana Damrau nicht weniger grandios mit dem Feuer. Anbrennen lässt sie freilich nichts. Da Capo!

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Diana Damrau: Fiamma del Belcanto. Orchestra Teatro Regio Torina, Gianandrea Noseda. CD, 79 Min, Erato, ca. 16€.
Tipp für Fans: Als „Lucia di Lammermoor“ (konzertant) ist Diana Damrau in Essens Philharmonie am 29. 5. 2016 zu hören. Vorverkauf bereits ab 30. Mai 2015. Telefon 0201-8122200.