Tenorglanz mit Jonas Kaufmann, Cowboy-Christmas mit Dolly Parton oder Schmeichel-Sound von Jamie Cullum? Wir haben die neuen Weihnachtsplatten!

Tenor unterm Baum

Es dürfte mehr als ein halbes Jahrhundert her sein, dass ein deutscher Tenor per Weihnachtsalbum Charts stürmte. Aber Jonas Kaufmann ist selbst unterm Baum Everybody’s Darling. Auf seinem Doppelalbum „It’s Christmas“ (Sony) gibt’s den vollen Gabentisch: Es wartet reichlich Tradition von „Süßer die Glocken“ bis „Stille Nacht“, doch auf CD 2 lässt Kaufmann auch die Jingles bellen. Und Till Brönner bläst als Gaststar ins Feiertagsblech. Für Opernfreunde ist das Projekt gewiss kein Muss, der Rest der Fan-Gemeinde aber wird jauchzend frohlocken.

Fest für Country-Fans

Wer zur Bescherung gerne den Cowboyhut aufsetzt, könnte die neue Scheibe von Dolly Parton in den CD-Player schieben. Die Nashville-Ikone hat nach 30 Jahren mit A Holly Dolly Christmas (Butterfly Records) wieder ein Weihnachtsalbum eingespielt – ein fröhlicher Mix aus Klassikern und neuen Songs. Stilistisch ist das angesiedelt zwischen Country, Bluegrass und Swing, sehr unterhaltsam und gespickt mit tollen Gästen am Mikro: von Willie Nelson über Michael Bublé bis zu Billy Ray Cyrus und Jimmy Fallon.

Printen mit Chilly

Chilly Gonzales , vormals ein Krawallmacher am Klavier, badet in Besinnlichkeit: Mit „A Very Chilly Christmas“ (Gentle Threat) dreht der Kanadier mutig – aber immer respektvoll – den Kanon aus Christbaumklassikern durch den Häcksler: „Silent Night“ klingt klagend, „O Tannenbaum“ beschwipst, die „Jingle Bells“ fast zynisch. Selbst „Last Christmas“ von Wham! fügt sich in das molltönende Gesamtbild ein; mit sanfter Chilly-Würzung wandelt sich der saisonale Nervtöter zum melancholischen Glanzlicht.

Wilde Bescherung

Kim Wilde ist 1987 mit ihrer Interpretation des 50er-Jahre Klassikers „Rockin’ Around The Christmas Tree“ ein „Alle Jahre wieder“-Weihnachtshit gelungen. Für die Deluxe-Version des „Wilde Winter Songbooks“ (EarMusic) hat sie für diesen Song Nik Kershaw auf den Schlitten geholt. In „Winter Wonderland“ duettiert sie mit Rick Astley. Überraschend in dieser tollen Sammlung mit 80er-Charme: „Solang man Träume noch leben kann“ von der Münchener Freiheit ist eingeenglischt worden, als „Keeping The Dream Alive“.

Das Snowflake-Girl

Klar, Tori Amos würde man zu jeder Weihnachtsfeier einladen, mit feuerrotem Haar am Piano unterm Tannenbaum – obwohl die Feier dann ein wenig melancholischer ausfallen würde. Auf der „Christmastide EP“ (Decca) wird das „Cornflake Girl“ zum „Snowflake Girl“ mit vier anspruchsvollen eigenen Songs. Während der Titeltrack festliche Wohligkeit beschwört, wird „Circle Of Seasons“ schon etwas schwermütig – fast wie bei Kate Bush. „Holly“ hat das Zeug zum Hit – und das nicht nur zur Weihnachtszeit.

Schmeicheln de Luxe

Selbst der unvermeidlichen Rentierschlitten-Glocken wird man nicht überdrüssig: Zu gut gelaunt, zu hochsouverän jazzend, zu geschmackvoll arrangiert schmeichelt sich Jamie Cullum mit The Pianoman At Christmas (Island/Universal) in die Gehörgänge. 57 Musiker, so ist’s zu lesen, waren an der opulenten Produktion des 41-Jährigen beteiligt, und so kann er mit seiner geschmeidigen Stimme wunderbar variieren zwischen swingendem Bigbandsound, Heiligabendballadenschmelz und Poppigem. Klasse!

Weihnachten fürs Volk

Ein Weihnachtsalbum von Andreas Gabalier? Klar, das heißt „A Volks-Rock’n’Roll Christmas“ (Universal) Zehn der 15 Songs sind US-Klassiker und damit trotz teils wirklich gut gelunger Arrangements nicht immer geeignet für Gabaliers Stimme. Ganz anders als das traditionelle österreichische Weihnachtsliedgut, mit dem 36-Jährige das Album im letzten Drittel ausklingen lässt. Seine vielen Fans werden ihn dafür lieben. Allen anderen aber liefert er einen Grund mehr, ihn nicht zu mögen.

Weihnachts-Tanz

„A Very Trainor Christmas“ (Sony Music) heißt das erste Weihnachtsalbum von Meghan Trainor. Zu hören sind neben den typischen Weihnachtsklassikern auch fünf neue Songs, die sie unter anderem mit ihren Brüdern Justin und Ryan geschrieben hat und von denen einige so clever produziert sind, dass man meint sie schon lange zu kennen. Beste Nummer des Albums ist das extrem tanzbare „Holidays“, das sie zusammen mit Earth Wind & Fire im typischen Disco-Sound der späten 70er Jahre singt. Sehr gelungen.

Fest ohne Grenzen

Es ist wie gemacht für eine Zeit, in der mancher die Zäune wieder hochziehen will: „Christmas in Europe“ (dhm/sony) titeln der überragende Balthasar Neumann-Chor und sein Gründer Thomas Hengelbrock ihre wundervoll farbenreiche Chorweihnacht. Als Hörer reisen wir von Portugal bis nach Island, stolze 16 Sprachen erklingen – sie alle verkünden jene frohe Botschaft, die eben keine Barrieren kennt. Und als Lokalpatrioten sind wir ein bisschen stolz, dass dieses Meisterwerk 2020 in Dortmunds Konzerthaus entstand.

Bakken mit Zucker

Die norwegische Sängerin Rebekka Bakken, sonst im Jazz zuhause, tarnt ihr Weihnachtsalbum durch den Titel Winter Nights (CD-OKeh/Sony Music). Es ist tatsächlich keine klassische Weihnachtsscheibe geworden, auch wenn sich Zuckriges wie „Silent Night“ (überraschend: als Country-Waltz) und „Last Christmas“ (in entschleunigter Version) drauf finden. Das liegt an den diversen Eigenkompositionen. Und Bakkens geschmeidiger Kehle würde man auch bei noch abgedroschenerem Stoff gerne lauschen.