Essen. „Der Pott“ wiegt viereinhalb Kilo und ist ein 640 Seiten starker Foto-Band über die Gebäude für Kohle und Stahl im Ruhrgebiet. Von kundiger Hand.

Walter Buschmann ist einer der erfahrensten Industrie-Denkmalpfleger Deutschlands. Der 71-jährige hat 1987 zum ersten Mal 1987 in der Reihe „Rheinische Kunststätten“ eine Broschüre über Zeche Zollverein geschrieben, da war die Kokerei noch in Betrieb und auf dem Gelände im Essener Norden von einem künftigen Unesco-Welterbe ungefähr so viel zu riechen wie von frischer Bergluft.

Der promovierte Ingenieur Buschmann hat als Denkmalpfleger beim Landschaftsverband Rheinland daran gearbeitet, die 2500 Industrie- und Technikdenkmale der Region zu erfassen, zu beschreiben, zu bewahren. Als außerplanmäßiger Professor der RWTH Aachen könnte Buschmann Abhandlungen über jeden einzelnen dieser Hochöfen, Zechentürme, Koksbunker schreiben – aber für seinen Prachtband „Der Pott“ über die Industriekultur des Ruhrgebiets hat er sich kurz gefasst; ein bis zwei Absätze genügen ihm oft schon zur präzisen Beschreibung von Zweck und Funktion; wenn nötig, wird es auch schon mal eine halbe Seite – den Rest übernehmen die sachlich-nüchternen Fotografien von Achim Bednorz, die doch auf die eigentümliche Schönheit der technischen, industriellen Architektur abzielen.

Grundrisse von Eisenheim, Grafiken vom Strangguss

Buschmann beschreibt mit seiner enormen Sachkenntnis und einer lakonischen Kürze das Ruhrgebiet von Kohle und Stahl auf den Punkt – und braucht doch weit über 600 Seiten für die Leuchttürme der Industriekultur, die zum Strahlen nichts weiter nötig haben als das Naturlicht. Der Kamerakönner Bednorz hat zwar manchmal auf einen blauen Himmel gewartet, aber er zeigt die Kathedralen der Arbeit ohne Pomp und künstliche Weihe. Diese Denkmäler sind geadelt von einstiger Größe und Komplexität, von Rost und einem Anflug von Verfall.

Muttental und Zeche Nordstern

Einfache Grafiken lassen etwa das Strangguss-Verfahren in der Stahlproduktion verstehen oder was für eine Revolution die Bessemer-Birne darstellte, wie und warum die Kohle zu Koks wird oder wie weit sich ein Bergwerk um 1900 unter Tage ausdehnte. Hinzu kommen Details wie die funktionalen Grundrisse der äußerlich noch agrarisch anmutenden Haustypen in der Oberhausener Siedlung Eisenheim . Oder Erläuterungen zum Schmieden und Walzen von Stahl, die wichtigen Eisenbahnfunktionen, etwa in Mülheim mit Ringlokschuppen und Lokrichthalle oder im Duisburger Ausbesserungswerk Bissingheim. Es geht um Wasserkraftwerke und das Koepchen-Pumpspeicherwerk, und es geht, bei aller Kürze, auch um sprechende Details, etwa das Endstück vom Jugendstil-Geländer in der Zeche Zweckel. Oder die Fassade von Zeche Bonifacius.

Buschmann ist genau, verzeichnet auch, dass im Fördermaschinenhaus im Muttental, das ja als die Wiege des Ruhr-Bergbaus gilt, gar nicht das Original steht. Sondern: Hierher „wurde eine Fördermaschine der GHH-Zeche Franz Haniel überführt. Die Maschine wurde ab etwa 1890 in einer Spinnerei verwendet, 1911 für die GHH-Zeche Jacobi in Oberhausen als Abteufmaschine eingesetzt und diente dann 1921-73 als Fördermaschine.“

Es geht um Funktionszusammenhänge

Es geht dem Denkmalpfleger um die Darstellung des Funktionszusammenhangs, weil zur Industriekultur ja nicht nur Zechen und Hochöfen gehörten – so hatte allein Zeche Nordstern in Gelsenkirchen 32 eigene Ziegeleien für die Abertausende von Backsteine, die für die Mauern der großen Gebäude gebraucht wurden. Oder eine eigene Brückenfabrik, wie sie der Industrielle Friedrich Harkort unterhielt. Und selbst die an der Ruhr gelegenen Lederfabriken in Mülheim oder die Tuchfabriken in Kettwig gehörten in diesen Zusammenhang.

Fotobände über die Industriekultur des Reviers gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Dieser aber darf, jenseits der ein oder anderen wiederholenden, ja redundanten Fotografie, für sich beanspruchen, ein Standardwerk zu sein, das in Umfang wie in Präzision seinesgleichen sucht. Und das zu einem geradezu kumpeltauglichen Preis für viereinhalb Kilo Buch.

Achim Bednorz/Walter Buschmann: Der Pott. Industriekultur im Ruhrgebiet. 640 S., 638 Abb., 39,95 Euro.