Früher ein Ort der Arbeit, heute ein Publikumsmagnet: Industriekultur in Gelsenkirchen und im Revier. Tipps für schöne Ausflüge.

Was früher als dreckiger Arbeitsort gilt, bekommt in den 90er-Jahren einen neuen Namen, ein neues Ansehen: Industriekultur. Längst gibt es Routen durch das Ruhrgebiet, zeigen ausgewählte Orte den Zeitenwandel. Und weil es derzeit viele aufs Rad zieht, könnte der eine oder andere jener Orte als Ziel dienen für einen Ausflug.

Siedlung Schüngelberg

So wie die Siedlung Schüngelberg, eines der Glanzstücke dieser ersten Welle der Industriekultur. Auch weil sie, mittlerweile schön saniert, einen Eindruck vermittelt vom bergmännischen Leben im Schatten des Pütts, auf kleinem Raum aber mit Gärtchen, Taubenschlag und Kaninchenstall. Ausgehend von der Gertrudstraße, benannt nach Gertrud Grolmann, der Gattin des Werksdirektors der Zeche Hugo, entsteht hier Anfang des 20. Jahrhunderts der Lebensraum für die Zechenarbeiter. Das Besondere an dieser Siedlung ist ihr Flair. Den muss man erlebt haben.

Pumpwerk Nordsternpark

Schon der Nordsternpark selbst ist eine Reise wert – weil er Strukturwandel im Turbogang erlebt hat. Anfang der 90er-Jahre ist hier noch ein Pütt, Ende der 90er-Jahre ist das Gelände Austragungsstätte der Bundesgartenschau. Damit aber endet die Entwicklung nicht. Heute ist Nordstern wichtiger Wirtschaftsstandort, Freizeitstätte und Naherholungsgebiet und obendrein geballte Industriekultur.

Was nicht unbedingt im Vordergrund steht, ist das Pumpwerk, ein großer blauer Würfel, dessen Fassade auch für die BUGA entsteht. Darunter steckt ein Zweckbau. Das Pumpwerk wurde 1958 zur Entwässerung von Polderflächen gebaut, heute nährt es den Abwasserkanal bis zur Kläranlage Bottrop.

Schleuse Gelsenkirchen

Sie liegt genau auf der Grenze zwischen dem Stadtnorden und dem Süden, an der Einfahrt zum Stadthafen: die Schleuse. Bis zu sechs Schiffe pro Stunde können die Schleuse passieren – in jede Richtung. Das Füllen der Schleusenkammern dauert etwa sechs Minuten. Die Kammern sind 190 mal zwölf Meter groß. Fernab dieser Daten liefert die Schleuse regelmäßig ein spannendes Schauspiel, das Besucher vom Ufer aus miterleben können und auch von der Brücke aus. Da vergehen die Minuten wie im Fluge, da trifft Arbeitswelt auf Freizeiterlebnis, Industrie auf Romantik.

Das Pumpwerk im Gelsenkirchener Nordsternpark, hier bei der Aktion „WAZ öffnet Pforten
Das Pumpwerk im Gelsenkirchener Nordsternpark, hier bei der Aktion „WAZ öffnet Pforten", ist von außen ein nüchterner Zweckbau, innen ist es gespickt mit gigantischer, hochmoderner Technik. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Zuwandererkirche

Nicht mehr auf Gelsenkirchener Grund und dennoch ganz unweit des Emscherbruchs liegt ein echter Geheimtipp der Route Industriekultur: die Kirche des Heiligen Dimitrios an der Herner Straße 99 in Herten. Die Zuwandererkirche ist jenen Griechen eine religiöse Heimat, deren Vorfahren einst als Gastarbeiter kommen – und im Revier bleiben. 2004 fertig gestellt, holt sie architektonisch Griechenland ins Ruhrrevier. Die Gemeinde mit rund 3000 Mitgliedern ist dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel unterstellt. Baulich handelt es sich um einen Kreuzkuppelbau byzantinischer Bauart, der innen mit viel sakraler Kunst aufwartet, mit Ikonen, die einem festgelegten theologischen Programm folgen.

Die griechisch-orthodoxe Kirche Heiliger Dimitrios in Herten-Süd ist ein Schmuckstück, reich verziert. Hier führen Gemeindemitglieder Interessierte durch die Kirche an der Herner Straße.
Die griechisch-orthodoxe Kirche Heiliger Dimitrios in Herten-Süd ist ein Schmuckstück, reich verziert. Hier führen Gemeindemitglieder Interessierte durch die Kirche an der Herner Straße. © WAZ FotoPool | Joachim Kleine-Büning