Hagen. Ihr Kinderlein kommet, aber wohin? Neue Formate wie Kurz-Gottesdienste sollen in den Kirchen die Alternative zur Christmette sein
Es begab sich aber zu der Zeit: Von der Krippe to go bis zur hybriden Christmette suchen die Kirchen nach Wegen, unter Corona-Bedingungen das Christfest zu gestalten. Jenseits der rein praktischen Fragen geht es darum, die Weihnachtsbotschaft neu ins Bewusstsein zu rufen. „Wir werden Weihnachten feiern – auch und gerade in diesem Jahr“, so Annette Kurschus, die Präses der ev. Kirche von Westfalen. „Aber nicht, weil wir die Lockdown-Regeln befolgt haben, sondern weil der Retter in der Welt ist und sich immer neu aufmacht, werden wir feiern.“
Weihnachten ist nicht wie sonst
Krippenspiel, Christmette oder Hochamt am 1. Weihnachtstag sind für viele Menschen die letzte Nabelschnur, die sie noch mit der Kirche verbindet. Ein voll besetztes Gotteshaus, feierliche Musik, Turmblasen, Gemeindegesang, Lichter und festliche Liturgie gehören zu einem gelungenen Fest dazu. „Ich glaube, dass wir uns mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass Weihnachten dieses Jahr nicht so gefeiert werden kann wie sonst“, konstatiert Ulrich Lota, Sprecher des Bistums Essen. „Christmette oder Gottesdienste in der gewohnten Form sind nicht möglich. Mit so wenigen Leuten in der Kirche stellt sich nicht die gleiche Stimmung ein.“
Beliebte Traditionen und neue Rituale
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Gleichwohl versuchen die Gemeinden vor Ort, mit kreativen Ideen beliebte Traditionen weiterzuführen und neue Rituale zu begründen. So ist geplant Christmetten draußen unter freiem Himmel zu feiern, in Schützenhallen oder in Sportanlagen. „Theoretisch ist alles möglich, sagt Ulrich Lota, „aber am Ende wird es davon abhängen, wie sich die Infektionszahlen und die Verordnungen entwickeln. Die Oberhausener zum Beispiel wollten in die König-Pilsener-Arena, aber davon sind sie wieder abgekommen. Wo viele Menschen zusammenkommen, besteht die Gefahr der Ansteckung.“
Stattdessen plant die Bischofskonferenz eine Handreichung für Wortgottesdienste in Kurzformaten, um wenigstens etwas Weihnachtsstimmung zu vermitteln. Darin soll das Lukasevangelium verlesen werden, es gibt Musik, das Vaterunser und eine kurze Predigt. Von diesen kurzen Feiern können mehrere hintereinander angeboten werden. „Das wird von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich geregelt, das hängt auch von den personellen Gegebenheiten ab“, so Lota.
Hausgottesdienste
Im Corona-Winter kommt überdies das Format des Hausgottesdienstes zu neuen Ehren. Hier hat das Bistum Essen eine Anleitung für Familien und Hausgemeinschaften in Vorbereitung, mit der Weihnachtsgeschichte, einigen Liedern und Gebeten. Lota: „Wir haben Ostern die Erfahrung gemacht, dass solche Angebote für viele Menschen sehr wichtig sind.“
Außerdem sammeln die Gemeinden im Bistum Essen Ideen auf der Internetplattform ideenboerse.bistum-essen.de
„Ich glaube, dass Weihnachten für die meisten Menschen das emotionalste Fest ist. Viele Menschen sind an Weihnachten überdies offener als sonst für das gottesdienstliche Angebot der Kirche“, sagt Prof. Dr. Stefan Kopp, Liturgiewissenschaftler und Rektor der Theologischen Fakultät Paderborn. Für die Kirche komme es darauf an, die Vielfalt der Feierformen neu wahrzunehmen und zugleich sei sie gefordert, eine neue Normalität sicherzustellen. „Dieses Weihnachten könnte eine Chance für die Hauskirche sein, die zwischendurch in Vergessenheit geraten ist“, meint auch Kopp.
Der Kern der Weihnachtsbotschaft
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„Was ist der Kern der Weihnachtsbotschaft? Wie können wir das den Menschen zugänglich machen“, resümiert Dr. Annegret Meyer von der Hauptabteilung Pastorale Dienste des Erzbistums Paderborn die Diskussionen der vergangenen Monate. Annegret Meyer hat das Format des kurzen Wortgottesdienstes unter freiem Himmel mitentwickelt. „Die Frage war, wie wir den Menschen einen Weihnachtsmoment ermöglichen können. Wir müssen als Kirche abgestufte Feierformen finden, nicht nur die Messe. Ein Weihnachtsmoment ist nicht defizitär, sondern in Ordnung. Es ist nur anders herum gedacht: Wie kann man das Wesentliche auf den Punkt bringen. Ich glaube, dass uns solche Überlegungen grundsätzlich weiterbringen.“
20 Minuten sollen diese Kurzgottesdienste dauern. Viele Gemeinden sind bereits in der Planung. In Schloss Neuhaus bei Paderborn wird es zum Beispiel am Heiligen Abend 20 Gottesdienste an 20 Orten zu je 20 Minuten geben. „Wir haben das Gefühl, dass man so ein bisschen näher an den Kern herankommt“, betont Annegret Meyer. „Wir feiern in diesem Jahr Weihnachten in einer reduzierten Form, ohne Weihnachtsmärkte, ohne die ganze Geselligkeit, die sonst dazugehört. Das ist auch eine Chance.“
Was kommt nach Corona?
Auf der anderen Seite wächst in den Kirchen die Sorge vor der Zeit nach Corona. „Manche Kirchen können relativ viele Plätze für die Christmette anbieten. Aber die werden nicht ausgeschöpft, weil die Menschen Angst haben, sich anzustecken. Was wird sein, wenn Corona vorbei ist. Sind die Leute dann entwöhnt von der Messe?“, fragt Annegret Meyer.
Das Erzbistum Paderborn unterstützt die Ideen und Projekte der Gemeinden für die Weihnachtsfeier mit dem neu aufgelegten Fond „Weihnachten trotz Corona“. „Bis zum 18. November hat das Erzbistum bereits 111 bewilligte Anträge mit insgesamt 416.540 Euro gefördert“, so Sprecher Benjamin Krysmann. „Kontinuierlich erreichen neue Anträge das Generalvikariat.“ Antragsformulare gibt es unter https://wir-erzbistum-paderborn.de
Weihnachten ist schon gerettet
Bei all diesen Plänen ist es Präses Kurschus wichtig zu betonen, dass Weihnachten nicht extra gerettet werden muss. „Weihnachten ist gerettet! Durch das Kind in der Krippe, durch den allmächtigen, menschgewordenen Gott, in dessen Macht es liegt, ohnmächtig zu sein. Angewiesen und hilfsbedürftig. Gerettet sind wir durch den, der Licht ins Dunkel bringt. Heil und Frieden in unser zerrissenes Leben. Wie immer wir feiern werden. Wer weiß: Vielleicht wird es ein Fest, bei dem Gott uns näher kommt als je zuvor.“