Essen. Im Keller des Rüttenscheider Girardet-Haus ist seit anderthalb Jahrzehnten die Welt die Bühne und die Bühne ein Welt – im Katakomben-Theater.
Wer das „Theater der Zukunft“ besuchen will, muss zunächst ein paar Treppenstufen hinuntergehen, ins Untergeschoss des Girardet-Hauses. Einst beherbergte der große Gebäudekomplex im Essener Stadtteil Rüttenscheid eine Buchdruckerei samt Verlag, seit der Umnutzung in den späten 80er-Jahren sind darin Geschäfte, Arztpraxen, Kneipen und Restaurants untergebracht – und im Keller eben ein Theater. Seit dem Jahr 2005 gibt dieses kleine Schauspielhaus unter dem Namen „Katakomben-Theater“ der kulturellen Vielfalt des Ruhrgebiets eine Bühne – und macht Interkultur ähnlich sichtbar wie Romano Drom in Hagen .
Eine „Drehscheibe der Weltmusik“
Geleitet wird dieses „Theater ohne Grenzen“ von dem diplomierten Sozialwissenschaftler, Kulturmanager und Jazz-Musiker Kazim Çalisgan, ihm zur Seite steht seit der Anfangszeit Uri Bülbül (57), wie dieser scherzhaft sagt: „als Sprachrohr und Hausphilosoph“. Schnell hatte sich das „Katakomben-Theater“ nach seiner Gründung etabliert als „Drehscheibe der Weltmusik“, mittwochs gibt es immer „Fiesta de Salsa“ und freitags „Jazz for the People“. Aber auch Kabarett, interkulturelles Theater, Tanz, Lesungen, Shows, sowie Kinder- und Jugendstücke gehören zum Programm. Normalerweise.
In diesem Corona-Jahr ist bekanntlich vieles anders. „Schon die Zeit des ersten Lockdowns war hart“, sagt Uri Bülbül, „wir haben uns sehr gefreut, als es endlich wieder losgehen konnte.“ Zum Neustart nach der Pause gab es „Warten auf Godot“, inszeniert von Julie Stearns in einer gekürzten, Corona-regelkonformen Fassung. „Wir haben viele Stühle aus dem Publikumsbereich genommen“, erzählt Uri Bülbül, „wo sonst 200 Personen sitzen, hatten wir nur 30 Plätze hergerichtet. Dadurch war die Atmosphäre im Theater schon etwas seltsam.“ Und wirklich wirtschaftlich war das Schauspiel vor Mini-Publikum dann auch nicht. Schwamm drüber, denn: „Wir arbeiten hier ja nicht nur unter finanziellen Aspekten, sondern auch, um den Kunstraum zu erhalten.“
„Immer wieder offen für neue Einflüsse“
Das Essener „Katakomben-Theater“ ist ein Partner von Interkultur Ruhr, einem Projekt des Regionalverbands Ruhr. „Für uns ist dieses Haus besonders spannend, weil es immer offen ist für neue Einflüsse und sich dadurch immer wieder neu aufstellt“, sagt Kuratorin Johanna-Yassira Kluhs.
Auch im Sommer 2020 war das Katakomben-Theater wieder einmal dabei, sich neu zu erfinden – in Zusammenarbeit mit der neuen Gesellschaft „Globalkultur.org“, die seit kurzem die Kulturakademie Ruhr betreibt, welche wiederum einst das „Katakomben-Theater“ gegründet hat. Was hinsichtlich der Organisationsstruktur zunächst verwirrend klingen mag, wurde bei einer „Open Place“ genannten Tagung Ende August im „Katakomben-Theater“ näher präsentiert. Eingeladen waren Institutionen, Künstler, Kulturverantwortliche sowie Vertreter aus Politik und Verwaltung. Das Motto: „Was ist und zu welchem Zweck betreiben wir die Kulturakademie Ruhr?“
Ein Angebot fürs ganze Ruhrgebiet
„Globalkultur.org“ will im ganzen Ruhrgebiet tätig sein, in Essen soll das „Katakomben-Theater“ zum Dreh- und Angelpunkt werden. Ein wichtiges Ziel sei die Nachwuchsförderung, etwa in Form von Kulturarbeit an Schulen und dem damit verbundenen Brückenschlag zu Kultureinrichtungen. „In Duisburg haben wir damit schon sehr gute Erfahrungen gemacht“, berichtet „Globalkultur.org“-Mitgründerin Funda Çınar. So seien bei einem Schulprojekt die Teilnehmer mit Themen wie Kunst, Malerei, Schauspiel und Videoproduktion in Kontakt gekommen. „Das öffnet Fenster in den Köpfen, die Teilnehmer bekommen Raum, sich zu entfalten. Sie können ihre eigenen Fähigkeiten erkennen und Talente entdecken“, ergänzt Co-Initiatorin Gökçe Yeşilyurt. Lehrer, die Interesse haben, mit ihren Klassen die Angebote von „Globalkultur.org“ kennenzulernen, sind eingeladen, sich an das Projekt zu wenden.