Mülheim. Tanzschulen in NRW kämpfen mit einem Online-Kulturprogramm während des Lockdowns um ihr Überleben. Bundesweit schließen sich Anbieter an.

Sie wollen „keine Bittsteller“ sein. Deshalb haben 15 Tanzschulen aus NRW mit dem Beginn des zweiten Lockdowns im November ihr Schicksal selbst in die Hand genommen. Während die Tanzsäle geschlossen bleiben müssen, wollen sie mehr bieten als Online-Übungen zum Cha Cha Cha und Hip-Hop-Videos für Jugendliche. Auf der Plattform „Tanz Kultur NRW“ liefern sie nun auch Musik, Kabarett, Lesungen und Comedy in die Wohnzimmer ihrer Mitglieder. Und bundesweit schließen sich immer mehr Tanzschulen an.

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Die Comedians Margie Kinsky aus Köln und La Signora aus Oberhausen hatten bereits ihre virtuellen Auftritte, am Sonntag bittet der Kindermusik-Macher Volker Rosin zum Mitmachkonzert für Familien. Das Programm von „Tanz Kultur NRW“ beschränkt sich erst einmal auf den November. Die Macher sind aber darauf vorbereitet, dass der Lockdown auch noch bis in den Dezember anhalten könnte. Einer von ihnen ist Torsten Thiele. „Unsere Gäste sind unsere Basis. Sie liegen uns wirklich am Herzen“, sagt der Betreiber der Absolut-Tanzbar in Düsseldorf, zu den Beweggründen, ein Kulturprogramm auf die Beine zu stellen. „Wir wollen positiv auf die Menschen wirken und das Schöne ansprechen“, meint Thorsten Ritter, der das Tanzhaus Mülheim betreibt.

Der Kinderliedersänger Volker Rosin tritt am Sonntag im Rahmen von „Tanz Kultur NRW“ auf.
Der Kinderliedersänger Volker Rosin tritt am Sonntag im Rahmen von „Tanz Kultur NRW“ auf. © Manfred Esser | Manfred Esser

Und so ist das Netzwerk von 15 Tanzschulen in NRW, das schon lange vor Corona aktiv war, auf Künstler in der Region zugegangen, um sie für die Online-Auftritte zu gewinnen. „Sie erhalten eine ganz normale Gage. Den Künstlern geht es schließlich noch schlechter als uns“, betont Thiele. In der Tanzschule kx Kochtokrax in Unna haben sie ein Fernsehstudio eingerichtet, das die Gastspiele regelmäßig ins Netz streamt. Die Initiative „Tanz Kultur NRW“ hat sich inzwischen bundesweit herumgesprochen. Nach Thieles Angaben haben sich inzwischen 105 der rund 800 Tanzschulen, die dem Branchenverband ADTV angehören, angeschlossen.

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„Die Kosten teilen wir uns“, erklärt Thorsten Ritter. Die Investition zahle sich in dieser Krisenzeit aus. „Wir überleben im Moment durch unsere Stammgäste, die ihre Mitgliedsbeiträge zahlen“, sagt er. Im Schnitt seien die Einnahmen der Tanzschulen seit Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr um ein Drittel eingebrochen, heißt es. Tanzpartys, Saal-Vermietungen für Veranstaltungen und Kurse für Hochzeitspaare seien seit März komplett ausgefallen. „Auch die Abschlussbälle in diesem Herbst können nicht stattfinden. Unsere Einnahmen aus der Gastronomie gehen gegen Null“, berichtet Torsten Thiele. Auch Tanzkurse in städtischen Schulen fielen weitgehend aus. Von fünf Tanzschulen sei bekannt, dass sie bereits aufgegeben hätten. „Ich fürchte, es wird weitere verzögerte Effekte geben“, meint der Tanzlehrer.

Investitionen in Lüftung und Hygiene

Dabei hatten sich die Tanzschulen nach eigenem Bekunden akribisch auf die in der Pandemie verschärften Hygienevorschriften eingestellt und zum Teil fünfstellige Euro-Beträge in Lüftung und Desinfektionsmittel investiert. Ob sie die von der Bundesregierung in Aussicht gestellte milliardenschweren November-Hilfe in Anspruch nehmen können, ist ungewiss. „Es gibt ja noch keine Verordnung über die Abwicklung. Wir fühlen uns von der Bundesregierung im Stich gelassen“, beklagt Christoph Möller, Präsident von Swinging World, dem Unternehmerverband der Tanzschulen.

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Vor allem kleinere Tanzschulen, meist familiengeführt, kämpften um ihr Überleben. Und mit ihnen viele Honorarkräfte und Soloselbstständige, die Spezialdisziplinen wie Tango Argentino in mehreren Tanzschulen gleichzeitig abdecken. Dabei, davon ist Möller überzeugt, sei der Stellenwert des Tanzens in dieser tristen Zeit größer denn je. „Beim Tanzen werden Glückshormone ausgeschüttet. Danach sehnen sich die Menschen in der Krise“, sagt der Präsident.

>>> Zwei Millionen Tänzer pro Woche

Bundesweit gibt es rund 800 Tanzschulen, die dem Branchenverband ADTV angeschlossen sind. In NRW sind es rund 200. Nach Angaben von Arbeitgeberpräsident Christoph Möller tanzen wöchentlich zwei Millionen Menschen bundesweit in den Einrichtungen.

Mehr zum Programm von „Tanz Kultur NRW“ unter https://tanzkultur.info/