Köln. Im neuen Band der Erfolgsserie von Volker Kutscher ermittelt Gereon Rath bei Olympia 1936. Das Buch ist düsterer und härter als „Babylon Berlin“.
Eigentlich wäre er jetzt ja unterwegs. Hamburg, Berlin, München, Frankfurt … Lesereise. „Aber das geht natürlich nicht mehr“, sagt Volker Kutscher. Alles abgesagt, im besten Fall verschoben, manchmal durch einen Stream ersetzt. Wie so vieles in diesen Tagen von Corona.
Doch Kutscher will nicht klagen. Klar, sagt er, „mir fehlt der Kontakt zu den Lesern. Aber ich bin ja in der komfortablen Situation, dass ich nur einen kleinen Teil meiner Einkünfte durch Lesungen bestreite.“ Der Großteil stammt nämlich aus Buchverkäufen der erfolgreichen Gereon-Rath-Reihe. Und die werden zulegen. Denn soeben ist mit Olympia Band Nr. 8 erschienen.
Leni Riefenstahls Filmbilder, Jesse Owens Goldmedaillen
In der Hauptstadt grassiert im Sommer 1936 das Olympia-Fieber. Noch einmal präsentiert sich Berlin offen und freundlich. Und viele Menschen lassen sich nur zu gerne täuschen von der gigantischen Propagandamaschine der Nazis. „Das wirkt bis heute nach“, hat Kutscher bei den Recherchen festgestellt. Leni Riefenstahls Filmbilder, Jesse Owens Goldmedaillen, „daran erinnern sich viele“. Aber Kutscher ist das zu wenig. Er will mehr vom Alltag, will Einzelheiten. Und dann stößt er in einer Ausstellung im Kölner Olympiamuseum auf Privatfotos aus jenem Sommer, die der Münstersche Sporthistoriker Emanuel Hübner gesammelt hat.
So kann er schreiben von Olympia-Wimpeln an vielen Autos oder davon, dass die Kästen, aus denen sonst das Nazi-Hetzblatt „Der Stürmer“ verkauft wird, für ein paar Wochen verschwunden sind. Und lässt auch nicht unerwähnt, dass – von der Öffentlichkeit kaum beachtet – gleichzeitig und gar nicht weit entfernt das Konzentrationslager Sachsenhausen errichtet wird.
Schicksale treffen auf politische und gesellschaftliche Entwicklungen
Einmal mehr gelingt es Kutscher, das persönliche Schicksal seiner Figuren geschickt mit der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung zu verweben; besonders bei Gereon Rath, der sich – gegen seinen Willen – mehr und mehr im immer dichter werdenden Labyrinth der NS-Sicherheitsorgane verstrickt. Kutscher schließt auch an Vorgänger-Bände an. Gangster „Goldstein“ taucht wieder auf und Raths Erzfeind SS-Obersturmbannführer Sebastian Tornow wird immer gefährlicher. Das macht den Neueinstieg zwar schwierig, lesen kann man „Olympia“ aber auch ohne Vorkenntnisse.
Rath wird ins olympische Dorf geschickt, wo ein Offizieller der US-Delegation unter mysteriösen Umständen gestorben ist. Der Oberkommissar soll Licht in die Sache bringen. Diskret und mit dem vorgegebenen Ziel, die angebliche „kommunistische Verschwörung“ aufzudecken. Doch als der Fall nach der Hälfte des Buches geklärt scheint, beginnen die Probleme erst – nicht nur, weil eine Mordserie die Reihen der SS erschüttert. Am Ende wird im Leben des Ermittlers nichts mehr so sein, wie es war.
Eigentlich sollte die Reihe nach diesem Band enden. Aber schon vor einiger Zeit hat Kutscher sich anders entschieden. „Jetzt wird mit den Novemberpogromen 1938 Schluss sein“, dem „Zivilisationsbruch, an dem auch dem letzten Unpolitischen klar wird, dass die nationalsozialistischen Machthaber auf den Weltkrieg und den Holocaust zusteuern“.
Nicht für jeden wird die Geschichte gut enden
Zwei Bände wird es nun noch geben. In ihnen wird Kutscher den Weg weitergehen, auf den er bereits in den letzten Büchern abgebogen ist: „Es wird eine andere Art von Romanen werden“, sagt der 57-Jährige, „keine klassischen Polizeiromane mehr.“ Düsterer. Brutaler. Und nicht für jeden wird die Geschichte gut enden.
Vergleiche zwischen den 1930ern und 2020 lehnt Kutscher übrigens nach wie vor ab. „Unsere Demokratie heute ist viel gefestigter.“ Die Pandemie aber macht ihm Sorge. Gewaltbereite Islamisten, Rechtsradikale, der Klimawandel – „vieles wird derzeit von Corona überschattet“, sagt er, „aber das müssen wir alles im Auge behalten.“ Nicht nur in den nächsten Wochen. „Das Virus“, fürchtet Kutscher, „werden wir so schnell nicht los.“