Düsseldorf. Demis Volpi und Juanjo Arqués öffnen im Ballett am Rhein den Blick in die Welt der Tänzer, die von Corona-Restriktionen tief betroffen sind.
Acht Tänzer in weiten Hosen und Shirt stehen. Minutenlang. Bewegen sich kaum von der Stelle. Ein Beinkreis, eine Biegung mit dem Oberkörper. Wenn sie drehen, machen sie das im vorschriftsmäßigen Sicherheitsabstand, aus dem Stand. Bei Balancen geraten einige ins Wackeln. Keiner berührt den anderen. Mit „A simple piece“ (Ein einfaches Stück) reagiert Demis Volpi, neuer Chef des Balletts am Rhein, auf sechs Monate Lockdown, der Tänzer besonders hart traf. Es waren Monate, in denen sie nicht trainieren, sich nicht berühren durften, weder im Ballettsaal noch auf der Bühne. Und Demis Volpi nur erste Visitenkarten seiner Kunst abgeben konnte.
Demis Volpi und Juanjo Arqués öffnen den Blick
So dominieren schwere, erdige Bewegungen und statische, bedrückende Bilder Volpis Uraufführung. Und damit das Ende des zweiteiligen Ballettabends „Far and near are all around“ (Ferne und Nähe umgeben uns). Volpi und sein spanischer Kollege Juanjo Arqués öffnen in ihren Choreographien den Blick in die Welt der Bühnenkünstler, die extrem von ‚social distance‘ betroffen waren. Wie erneut auch das Publikum: Laut aktuellen Sicherheitsregeln durften nur noch 250 Zuschauer im Düsseldorfer Opernhaus (20 Prozent der Kapazität) diese pausenlose 75-Minuten-Geister-Vorstellung erleben. Ebenso den neuartigen Pausenfüller: ein Streichquartett von Caroline Shaw. Als Belohnung gab‘s viel warmherzigen Applaus. Premierenfeier? Es wird lange dauern, bis das wieder möglich ist.
„Partita for 8 voices“ der Pulitzer-Preisträgerin Caroline Shaw
Um „neue Einsamkeit“ geht es also. In „A simple piece“ steht oder liegt jeder an seinem Platz. Langsam tastet man sich heran an Basis-Ballettbewegungen, Beinkreise, Yoga-Übungen und Volkstanz-Zitate. Ein seltsamer Mix dominiert das Finale des ersten Ballettabends. Volpis minimalistisches, wenig packendes Tanztheater mit starren Linien wird nur selten von jemandem durchbrochen, der die Nase voll hat von den Regeln. All das deprimiert, trotz der inspirierenden, mit acht Stimmen experimentierenden „Partita for 8 voices“ der Pulitzer-Preisträgerin Caroline Shaw.
Bühne und Kostüme: Tatyana van Walsum
Wesentlich heller und in Maßen optimistischer dagegen „Spectrum“ von Juanjo Arqués. Einzeln beginnen auch hier die Tänzer. Jetzt in weiten, flatternden Shirts und Hosen in mediterran leuchtenden Pastelltönen (Bühne und Kostüme: Tatyana van Walsum). Zum vorwärtsstrebenden „Prometheus“-Streichquartett von Marc Mellits tasten die Solisten sich an die ganze Weite der Bühne heran, in ästhetisch, fließenden Bewegungen. Wenn sie sich nähern und synchron tanzen, sind sie durch einen transparenten weißen Raumteiler getrennt. Nur ein Paar in Gelb (Feline van Dijken und Eric White, die in einem Haushalt leben), kommt zusammen in einem Pas de deux mit behutsamen Hebefiguren. Doch auch sie steigern sich nicht zu Virtuosen, sondern bleiben meist am Boden. Dennoch überwiegt bei ihnen und sieben Tänzer-Kollegen eine ansteckende Leichtigkeit. Man ahnt ein Licht am Ende des Corona-Tunnels.
Termine: Bis 24. Oktober in Düsseldorf, ab 30. Oktober in Duisburg. Karten: www.operamrhein.de