Essen. Altbekannte Zimmerschlacht, in Essen raffiniert ins Heute gerettet. Albees „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ ist eine starke Ensembleleistung.

„Wir beide allein… jetzt geht es besser!“ Nach dem spieltechnisch nicht rückgängig zu machenden „Tod“ ihres imaginierten Sohnes verschanzen sich Martha (Ines Krug) und George (Jan Pröhl) hinter der vagen Hoffnung auf ein neues Leben, eine neue Gemeinsamkeit.

Für Karsten Dahlems Inszenierung von Edward Albees Stück „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ hat Ina Timm (auch Kostüme) am Grillo-Theater einen öden, nur mit einem Kühlschrank bestückten weißen Spiel-Raum entworfen. In diese mit der Zeit zerfallende White Box, die wie ein analoger Theater-Gegenentwurf zum Green Screen digitaler Filmtechnik wirkt, kehren der erfolglose Geschichtsprofessor George und seine frustrierte Ehefrau Martha, Tochter des Universitätsdirektors, nach einer Feier zurück. Nach 20 Ehejahren in fataler Hass-Liebe verbunden, haben sie ein Psychospiel gegenseitiger Beleidigungen, Erniedrigungen, seelischer Verletzungen perfektioniert.

Edward Albees „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ neu am Grillo-Theater Essen

Es ist ein Spiel ohne eindeutige Regeln, aus dem – wie bei Jumanji – ein Ausstieg nicht möglich, aber offenbar auch nicht gewollt ist.

Am besten kämpfen die beiden, wenn sie ihren Seelenstriptease vor Publikum betreiben können. Der junge Biologieprofessor Nick (Alexey Ekimov), der sich durch den Kontakt mit Martha bessere Karten bei deren Vater erhofft, und seine Frau (Lene Dax) sind nach dem Fest arglos der Einladung zu einem nächtlichen Absacker gefolgt und werden zu manipulierten und ihrerseits manipulierenden Figuren eines eskalierenden Gesellschaftsspiels mit thematischen Vorgaben: „Mach den Hausherrn fertig“, „Gib’s dem Gast“, „Bums die Hausfrau“. Schließlich setzt George, der von Martha bis an die Grenze des Erträglichen gedemütigt worden ist, zum vernichtenden Gegenschlag an: „Lass das Baby aus dem Sack“.

Die Darsteller am Grillo-Theater meistern den Parforceritt der Gefühle traumhaft sicher

Um der empfundenen Trostlosigkeit ihres Alltags zu entfliehen, hat seine Frau in ihrer Fantasie einen idealen Sohn groß gezogen, der vor seinem 21. Geburtstag steht. George beschließt, Marthas rettende Lebenslüge zu zerstören.

Albees Szenen einer Ehe (im Grillo in der Übersetzung von Alissa und Martin Walser) mögen heute etwas an Patina angesetzt haben, Geschenk und Herausforderung für Schauspieler sind sie nach wie vor. Die Darsteller, die unter Dahlems zurückhaltender Führung den Parforceritt der Gefühle traumhaft sicher bewältigen und von der ersten Minute an jenen Sog erzeugen, der den Zuschauer 110 Minuten lang gefangen hält, bestehen diese Herausforderung mit Bravour. Ein starker Einstieg in die neue Spielzeit.

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Nächste Termine: 21., 23., 24. Oktober. (je 19.30h). Karten Info unter Tel. 0201-8122200