Komödie trifft Sozialkritik, Satire zeigt Geschichtsbewusstsein. „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ kommt diese Woche in die deutschen Kinos.
Es ist schon eine ziemlich unglaubliche Verkettung von Zufällen, die in Jean-Paul Salomés Komödie „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ eine eher unscheinbare Übersetzerin zur größten Cannabis-Dealerin in Paris werden lässt. Mit Wahrscheinlichkeit oder gar der Realität hat diese Geschichte erst einmal nichts zu tun.
Salomé und Co-Autor Antoine Salomé haben sich ihrer Lust am wilden Fabulieren hingegeben. Sie erzählen ein Märchen, wie das Kino es liebt. Eine bisher vom Pech verfolgte Außenseiterin bekommt eine große Chance und nutzt sie.
Patience Portefeux arbeitet als Übersetzerin für das Pariser Drogendezernat. Sie hört all die Telefongespräche der maghrebinischen Klein- und Großdealer ab und liefert der Polizei so die entscheidenden Hinweise. Wenn deren Netze dann zuschnappen, ist sie als Dolmetscherin auch bei den Verhören dabei. Es ist ein ungeliebter Job für die von Isabelle Huppert gespielte Frau in mittleren Jahren. Aber sie braucht ihn, weil sie immer noch die Steuerschulden ihres verstorbenen Mannes, eines gewieften Betrügers, abzahlen muss. Also unterstützt sie die Polizisten, die bei den Verhören auch mal Gewalt anwenden, obwohl ihre Sympathien eher bei den jungen Dealern und ihren Familien liegen. Doch als sie mitbekommt, dass der Sohn von Kadidja, der Altenpflegerin, die sich liebevoll um Patiences demente Mutter kümmert, verhaftet werden soll, wechselt sie die Seiten.
Isabelle Huppert genießt den den Wechsel von der Unauffälligen zur Dealerin
Vordergründig gibt sich „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ als klassische Krimikomödie mit allem, was dazugehört: Verkleidungen, Verfolgungsjagden, Verwechslungen, sogar ein Schusswechsel. Isabelle Huppert genießt es sichtlich, sich von der eher unauffällig gekleideten Patience in Madame Ben Barka, die elegante maghrebinische Drogendealerin mit modischem Hidschab, auffälliger Goldkette und riesiger Designersonnenbrille, zu verwandeln. Und in den Momenten, in denen die Polizei bei ihren Ermittlungen Patience immer näherkommt, entwickeln durch die geschickte Integration von Überwachungsaufnahmen in den Fluss der Szenen einen bemerkenswerten Suspense.
Jean-Paul Salomé versteht es perfekt, die Genreklaviatur zu bedienen. Doch letztlich ist auch das eine Art von Verkleidung. Wie seine Heldin spielt er ein doppeltes Spiel. Unter der Oberfläche der unterhaltsamen Krimikomödie verbirgt sich eine sehr präzise und vor allem auch extrem geschichtsbewusste Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Strukturen Frankreichs. Das beginnt schon mit Patiences Herkunft als Tochter aschkenasischer Juden, die sich letztlich nur durch illegale Geschäfte ein bürgerliches Leben aufbauen konnten. Und so geht es nun auch all den aus Nordafrika stammenden Franzosen und den in Paris lebenden Chinesen wie Madame Fo, der Verwalterin des Hauses, in dem Patience wohnt.
Wer durch sein Aussehen oder seine Herkunft auffällt, hat in der von Salomé porträtierten Gesellschaft kaum Möglichkeiten. Als Außenseiter kann er nur die Schwachstellen des Systems ausnutzen und hoffen, genug Geld anzuhäufen, dass er trotz allem akzeptiert wird. So gesehen ist Patience eine moderne Nachfahrin Robin Hoods: Illegale Geschäfte haben auch eine politische Dimension.