Bochum. Mit „Drei Mal Leben“ zeigt das Schauspielhaus Bochum gehobenen Boulevard. Vier erfahrene Darsteller liefern sich einen bösen Krieg im Wohnzimmer.

Bitterböse Ehe-Scharmützel liefern sich zwei Paare in „Drei Mal Leben“ der französischen Erfolgsautorin Yasmina Reza. Dass ausgerechnet diese vielgespielte Komödie gerade ihren Weg ans Bochumer Schauspielhaus findet, ist gewiss kein Zufall.

Groß scheint das Verlangen der Theatermacher an der Königsallee zu sein, den gewohnt schweren Brocken ihres Chefs Johan Simons die dringend benötigte leichte Note entgegenzusetzen. Denn gehobener Boulevard wurde auf dem preisgekrönten Spielplan bislang sträflich vernachlässigt, und geradezu dankbar nimmt das Premierenpublikum dieses Angebot an.

Endlich: Am Bochumer Theater darf wieder geschmunzelt werden

Endlich darf im Theater mal beherzt geschmunzelt werden über die kleinen Nöte zweier sattsam frustrierter Ehepaare: über Laufmaschen, Käsehäppchen und nerviges Kindergeschrei. Dabei schöpft Yasmina Reza ihre Themen gern aus den Sorgen der scheinbar wohlgeordneten Mittelschicht. Neben ihrem Welterfolg „Kunst“ wurde vor allem die grandiose Gesellschaftssatire „Der Gott des Gemetzels“ bekannt, in dem die anfangs lockere Runde ihre Streitereien auch handfest zu lösen versucht.

„Drei Mal Leben“ funktioniert nach fast demselben Rezept, kommt allerdings weit weniger lustig daher. Mit latentem Hang zur Schwermut zeigt Reza auch hier zwei Paare mittleren Alters, die im Sommerhaus der Eitelkeiten unerwartet aufeinander treffen. Da wäre der erfolglose Astrophysiker Henri und seine Frau, die toughe Sonja, deren Sechsjähriger im Zimmer nebenan einfach keine Ruhe geben will. Einen Tag früher als geplant bekommen sie Besuch von Henris einflussreichem Chef Hubert mitsamt der trunksüchtigen Gattin Ines. Hubert könnte Henris strauchelnde Karriere wieder auf Kurs bringen, doch dafür müsste dieser Abend ein Erfolg werden…

Dreimal beginnt die Szene von vorn

Was dann natürlich nicht geschieht – und genau an diesem Straucheln ihrer vier Helden hat Regisseurin Martina Eitner-Acheampong den größten Spaß. Beinahe genüsslich stellt sie die Kombattanten so lange auf einem riesigen, drehbaren Tablett aus (Bühne: Jan Steigert), bis die bürgerliche Fassade der Wohlerzogenheit fällt und scheinbar triviale Gespräche in hitzigen Hahnenkämpfen münden. Der Clou: Sobald die Situation nicht mehr zu retten ist, bricht die Szene ab und beginnt von vorn. Dreimal wird dies durchgespielt – mit jeweils anderem Ausgang.

Wie oft bei Reza bietet dies erstklassiges Schauspielerfutter, da schießen die mit spitzer Feder geschriebenen Dialoge über die Bühne. In Bochum haben sich gestandene Darsteller gefunden, die es schaffen, diesen Typen Schärfe und Profil zu verleihen. Ganz vorne weg: Sascha Nathan, der als Henri im viel zu großen Baumwollpulli einen herrlichen, dauernd nörgelnden Tropf gibt.

Big-Boss am Wohnzimmertisch

Abgefeimt, fast böse dagegen wirkt der Hubert des Oliver Möller, der als Big-Boss am Wohnzimmertisch bisweilen arg großspurig auftrumpft. Und die Damen im Bunde sind den Herren im Zweifel ohnehin haushoch überlegen: An dieser bewährten Reza-Weisheit rüttelt Eitner-Acheampong nicht. Karin Moog gibt als resolute Sonja tüchtig Zunder, während Jele Brückners Ines ganz wundervolle, leise Momente des Innehaltens findet. Viel Beifall.

Dauer: 1 Stunde 45 Minuten ohne Pause. Termine: 4., 16., 17. und 18. Oktober. Karten: Tel. 0234 / 33 33 55 55.