Dortmund. Mit 45 ist Lucia Lacarra immer noch eine der Großen der Ballettwelt. In Dortmund ist der Star in „Fordlandia“ zu sehen: ein emotionaler Abend!

Auch in Dortmund meldet sich nach sechsmonatiger Corona-Zwangspause das Ballett zurück. Nicht mit einem lauten Paukenschlag, sondern mit einem intimen, eher nachdenklichen und berührenden Kammerspiel-Abend mit gleitenden Pas-de-deux. Auf der Bühne: stets dasselbe Paar. Lucia Lacarra, auch mit 45 immer noch eine der besten Ballerinen der Welt, gehörte einige Jahre zum Dortmunder Ensemble und kehrt mit ihrem neuen Bühnenpartner Matthew Golding zurück.

„Fordlandia“ nennen die beiden den pausenlosen 70-Minuten-Abend, in dem sie sechs Stücke von Jung-Choreographen, wie Anna Hop und Juanjo Arqués, aneinanderreihen. Wenn sie die Idee auch schon vor dem Pandemie-Ausbruch entwickelten, so verstärkte ihre eigene Lockdown-Geschichte das Gesamtbild dieses ruhig fließenden Abends. Statt auf Nervenkitzel im Allegro bietet er überwiegend ein Andante Melancholico. Unterstützt von Werken von Chopin, Arvo Pärt und Jóhann Jóhannsson.

Lucia Lacarra ist der weibliche Ballettstar in „Fordlandia“ in Dortmund

Letzterer komponierte „Fordlandia“ – das Stück, das dem Abend den geheimnisvollen Namen gab. Jóhannsson spielt damit auf eine Ausbeutungsgeschichte von Henry Ford an, der im einst im brasilianischen Amazonien eine Geisterstadt hinterließ. Die Parallele zur Pandemie wirkt ein wenig hergeholt.

Lacarra und Golding waren zwei Monate durch den Lockdown getrennt. Sie in Spanien bei ihrer Familie, er an fernen Gestaden. So beginnt der Abend mit Gefühlswallungen, Zweifeln und Ängsten, die die beiden – jeder an anderem Ort – erleben. In Videoprojektionen (Florian Franzen und Altin Kaftira) sieht man sie im ersten Stück „Stillness“ an einem Strand sitzen oder durch Dünen- oder Wald-Landschaften jagen.

Erst im zweiten Teil „Close“ erscheinen sie dann auf der Bühne, finden zusammen in poetischem, langsamem Paartanz. Dabei verweben sich geschickt reale Tanz- mit Filmsequenzen, einmal sind Bühne und Film sogar deckungsgleich. Wie eine Feder schwebt die zartgliedrige Lacarra, sucht irritiert Nähe zu Golding, entfernt sich wieder. Dann liegt sie am Boden wie ein angeschossenes Reh, bevor sie von ihm geschützt, getragen und gehoben wird.

Der Tanzabend „Fordlandia“ ist auch eine Antwort auf die Zeit der Pandemie

Anfangs sind die Bewegungen gezeichnet von innerer Unruhe und Suche nach Schutz. Vorsicht dominiert zunächst, bevor die beiden Solisten sich zu brillantem Ballett-Virtuosentum steigern. Hier spürt man einen Hoffnungsschimmer. Besonders intensiv und berührend das Finale „After the Rain“ zum Sphärenklang von Arvo Pärt (Choreographie: Christoper Wheeldon). Die zarte Ballerina biegt sich zu einer Brücke. Ihr Partner schützt und trägt diese lebende Brücke, trägt sie wie ein zerbrechliches Möbelstück davon. Am Ende legt er sich schützend unter Lacarras gebogenen Körper.

Fazit: Neben ästhetischem Paar-Tanz internationaler Spitzenklasse bietet der Abend rauschende Bilder, Melancholie und Gemütszustände, die viele Menschen in den letzten Monaten durchlaufen haben.

Nächste Termine: 8. Und 9. Oktober. Weitere Aufführungen sind geplant, die Termine stehen derzeit noch nicht feste. Aktualisiert werden sie unter www.theaterdo.de