Essen. Christian Petzolds Film „Undine“ erzählt einen Mythos neu: Paula Beer und Franz Rogowski in einer Story, die Ingeborg Bachmanns Erzählung folgt.

Wer sich dem Mythos „Undine“ nähern will, einem Wassergeist in Menschengestalt, hat ein großes Pensum vor sich. Zum ersten Mal taucht dieser Name um 1566 in den Schriften des Paracelsus auf und hat danach immer wieder neue Bewunderer in Kunst und Kultur gefunden. Nun ist es der Filmemacher Christian Petzold, der seine „Undine“ bei Ingeborg Bachmanns Erzählung „Undine geht“ gefunden hat. Hier sieht er in diesem Wesen eher eine Rebellin, die den Mythos am liebsten abstreifen möchte.

Eigentlich ist dieser „Elementargeist des Wassers in menschlicher Gestalt“ (Paracelsus) mit einem klaren, brutalen Fluch belastet. Ihre unsterbliche Seele kann sie nur durch die Heirat mit einem Menschen erlangen, der ihr wahre Liebe entgegenbringt. Lässt er sie im Stich und heiratet neu, muss sie ihn töten. Schlimmer noch, sie muss dann auch ins Wasser zurückkehren. Genau in dieser Situation treffen wir die Historikerin Undine (Paula Beer). Gerade hat sie voller Entsetzen bemerkt, dass ihr Freund Johannes (Jacob Matschenz) eine andere liebt und sie verlassen wird. Doch was da auf sie zukommen mag, sie klammert es völlig aus. Denn plötzlich tritt da Christoph (Franz Rogowski) in ihr Leben, der endlich wahre Liebe verheißt.

Ein Paar auf den ersten Blick: der Industrietaucher und die Stadthistorikerin

Tatsächlich scheinen die beiden schon bei der ersten Begegnung wie ein märchenhaftes Duo, das Petzold, der auch das Drehbuch schrieb, mit viel Wasser zusammenbringt. In einem Restaurant rempeln die beiden einander durch Zufall an und zerstören so ein großes Aquarium. Undine ist fasziniert von Christophs Beruf als Industrietaucher und begleitet ihn oft bei seinen Tauchgängen in der versunkenen Welt eines Stausees. Er wiederum kann sich nicht satthören, wenn die Stadthistorikerin Undine vor interessierten Gruppen über die Geschichte Berlins doziert. Und natürlich auch nicht vergisst zu erwähnen, dass diese Stadt einst auf Sümpfen gebaut wurde.

Christian Petzold, mit vielen Auszeichnungen für seine Filme dekoriert, ist einer der wichtigsten deutschen Regisseure. Seit „Die innere Sicherheit“ und seiner Beobachtung von Terroristen auf der Flucht ist man neugierig auf die Themenfelder seiner Filme. Nicht zuletzt auch deswegen, weil er nicht selten von der Realität ins Mystische überwechselt – „Undine“ ist dafür wieder einmal wie gemacht.

Sowohl Paula Beer als auch Franz Rogowski spielten zuletzt in Petzolds Film „Transit“

Allein sechs Filme mit Nina Hoss zeugen von Petzolds starkem Interesse an Frauenschicksalen, aber auch von seinem Vertrauen in die Akteure. In „Undine“ setzt er das jetzt fort; sowohl Paula Beer als auch Franz Rogowski spielten zuletzt in seinem Film „Transit“. Ganz zu schweigen von dem Bildgestalter Hans Fromm, der so gut wie alles für Petzold fotografiert hat. In „Undine“ schwebt er mit seiner Kamera immer wieder über Modelle von Berlin und den verschiedenen Vorstellungen eines möglichen Berlins in West und Ost.

„Undine“ mag nicht der beste Film von Petzold sein. Aber die märchenhafte Struktur und das wunderbare Erzählen von der zärtlichen Liebe zwischen einem Taucher und einer rätselhaften Wasserfrau, das fesselt in jeder Einstellung. Bis zu dem Punkt, an dem sie Johannes wieder trifft. Und der Fluch plötzlich wieder da ist.