Neu im Kino: Christian Petzold verfilmt Anna Seghers’ großen Exilroman „Transit“ eher verschwommen im Irgendwo. Der Film lässt einen kalt.
Vergangenheit und Gegenwart verschwimmen in „Transit“, Christian Petzolds Verfilmung von Anna Seghers’ Exilroman, ebenso wie Fiktion und Wirklichkeit. Georg ist ein Mann der 30er- und 40er-Jahre. Einer, der vor den Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen musste und nun im besetzten Frankreich erneut auf der Flucht ist. Nur streift er, der durch einen Zufall in den Besitz der Papiere des bekannten Schriftstellers Weidel kommt und damit eine Chance auf ein Visum für Mexiko erhält, durch das Marseille unserer Tage.
Christian Petzold folgt in weiten Teilen Anna Seghers’ Erzählung und weicht nur in Akzentuierungen davon ab. Trotzdem verzichtet er auf historische Kulissen. Statt der SS und der Wehrmacht patrouillieren französische Bereitschaftspolizisten durch Paris und später dann Marseille, die nach illegalen Einwanderern aus Afrika und dem Nahen Osten suchen. Auch die Autos, Züge und die Wohnsiedlung, in der Georg (Franz Rogowski) die Witwe und den kleinen Sohn eines befreundeten, auf dem Weg von Paris nach Marseille verstorbenen Flüchtlings ausfindig macht, zeugen von heutigen Verhältnissen.
So beschwört Petzold ein Zwischenreich herauf, in dem die Zeit stillzustehen scheint. Wer flüchtet, fällt, damals wie heute, aus der Zeit. Sein Leben verfängt sich in einer Art Warteschleife, in der sich alles ständig wiederholt. Georg ist eigentlich in einer privilegierten Situation. Das Romanmanuskript und die Papiere, die er bei dem verzweifelten Selbstmörder Weidel gefunden hat, bieten ihm einen Ausweg. Aber selbst er wird ständig von einem Konsulat zum nächsten geschickt. Nur so kann er die Transitpapiere bekommen. Dabei begegnet er den immer wieder gleichen Menschen, die fast Gespenstern gleichen. Eine von ihnen ist Marie (Paula Beer), Weidels Frau, die ihren Mann verlassen hat und nun auf ihn wartet. Georg verliebt sich in sie, bringt es aber nicht über sich, ihr zu erzählen, dass Weidel tot ist und er dessen Identität angenommen hat.
Die Selbstverständlichkeit, mit der Petzold Vergangenes und Gegenwärtiges mischt, eröffnet Räume für Assoziationen und erzählt viel über das Schicksal von Flüchtenden. Aber mit der Zeit verliert sich der Effekt. Die zeitgenössischen Kulissen wirken dann nur noch distanzierend und erinnern daran, dass sich Georgs Geschichte eben nicht auf heutige Flüchtlinge übertragen lässt.
Am Ende lässt der Film kalt
Die Differenz zwischen den Bildern und der Erzählung verschlingt Emotionen. Trotz Franz Rogowskis extrem körperlichem Spiel bleibt „Transit“ ein Konstrukt, das sich nicht mit Leben füllt. Die Verzweiflung, die Anna Seghers’ Roman auch heute noch vermittelt, weicht in Petzolds Verfilmung, die in dieser Woche anläuft, einer fast abstrakten Reflexion über ein Leben auf der Flucht, die einen am Ende seltsam kalt lässt.