Oberhausen. Ihnen fehlen in Corona-Zeiten die Worte? Für unsere Leser schreibt die Oberhausener Künstlerin Marie-Luise O'Byrne-Brandl Liebesbriefe.

Wie es dieser schicksalhaften Tage eben so ist: Man muss kein Mitglied der Bussi-Gesellschaft sein, um etwas zu vermissen. Gleich, was wir fühlen, es hat Grenzen. Wir winken einander in vermummter Distanz, selbst feiertägliche Mutterliebe äußerte sich letzten Sonntag durch eine Plexiglaswand. Da zögerte die Kulturredaktion nicht, als das Angebot kam, auf ungewöhnliche Weise Menschen zu helfen, denen für all das die Worte fehlen. Mit dem Schreiben eines Liebesbriefs!

Von der Lust, „einfühlsame Zeilen mit Tinte aufs Papier zu bringen“

Aus den vielen Spielarten ihrer Performance-Künste hat sich im Fall Marie-Luise O’Byrne-Brandl diese Profession zur Meisterschaft entwickelt: Seit die Oberhausenerin an den für Herzensdinge unerwartbarsten Orten (wir nennen nur beispielhaft den Flur vom „Bürgerservice Alt-Oberhausen“ oder die Stadtbibliothek) ihr Schreibpult aufstellt und für Passanten, gleich wem sie etwas Schönes sagen wollen, zur Feder greift, hat die „amouröse Stadtschreiberin“ das Zeug zur emotionalen Ersthelferin bewiesen.

Allein: Die aktuellen Einschränkungen machten auch vor der Kunst der gekonnten Liebeserklärung nicht Halt. Kein Pult draußen, auch die Künstlerin nicht, ein Morgenspaziergang ganz in der Frühe ist alles, was sie derzeit wagt. Die Lust aber, „für die, die sich schwer tun, einfühlsame Zeilen mit Tinte aufs Papier zu bringen“, versiegte bei Frau O’Byrne-Brandl so wenig wie die Freude unserer Zeitung, das Scharnier für diese besondere Aktion (Info siehe unten) zu bilden.

Die „Nähe“ sieht Marie-Luise O’Byrne-Brandl als Leitmotiv von Kunst

Aber ein Brief von einer Fremden an jemanden, dem man etwas besonders Liebevolles sagen möchte: Glückt das? Und ob. Zählt doch zum Wesen der Kunst auch die der Einfühlung. Bislang hat O’Byrne-Brandl Hunderte Menschen mit fremder Feder geschmückt und so einen Brief zur Herzensangelegenheit werden lassen. Die Oberhausenerin hat oft viel gewagt in ihren Installationen und Auftritten, ein Leitmotiv aber, selbst wenn Tod und Tabu regierten, blieb „das Kümmern und die Nähe zu meinen Mitmenschen“.

An steht also nicht weniger als ein Experiment am wortwörtlich offenen Herzen. Menschen, die Lust haben, dabei zu sein, gehen in zwei Schritten vor. „Nur eine kurze E-Mail schreiben, mit der Angabe ihrer Motivation und Telefonnummer“, das erwartet Marie-Luise O’Byrne-Brandl. Nach der Sichtung rufe sie „dann die Auftraggeberinnen an und erfahre, was ich wissen muss“. Es muss nicht allein der klassische Brief zwischen Paaren sein, Zeilen an eine alte Freundin, deren gewohnte Gegenwart der Kontaktsperre zum Opfer fällt, sind ebenso möglich wie Herzensdank oder das Bedürfnis, etwas lange Unausgesprochenes endlich liebevoll zu Papier zu bringen.

„Meine Liebesbriefe sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt“

Eine Kunstaktion „gegen die Kontaktsperre“, sagt die Schöpferin, ist es aber auch. Ihr Ziel: ein Zeichen in Zeiten der Pandemie. „Das Glück oder Unglück des oder der Liebenden lässt sich nicht be-schreiben, wohl aber ist es den Versuch wert, es zu er-schreiben.“

Wir und die Künstlerin sichern zu: Das Ergebnis wird niemand außer dem Adressaten lesen, Marie-Luise O’Byrne-Brandl: „Meine Liebesbriefe sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.“

Bewerber für einen Liebesbrief aus Künstlerinnenhand schreiben an info.obyrnebrandl@t-online.de Je nach Aufkommen können wir nicht versprechen, dass alle Bitten erfüllt werden – aber das Ziel ist es.