Essen. Von der Grundschulrektorin bis zum Kabarett-Autor: Was Experten davon halten, dass der WDR-Kinderchor von der Oma als „Umweltsau“ sang.

Aufgeblasenes Medien-Thema oder Anlass für echte Empörung: Der Klima-Song („Meine Oma ist ‘ne alte Umweltsau“) des WDR-Kinderchores hat viele Stimmen laut werden lassen. Unsere Redaktion fragt, ob Kabarett überhaupt für Kindermund taugt. Experten antworten – von der Grundschulrektorin bis zum Kabarett-Autor.

Christiane Mika, Vorsitzende des Grundschulverbands NRW, Leiterin der Libellen-Grundschule in Dortmund

Christiane Mika.
Christiane Mika. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Wenn das Lied witzig gemeint sein sollte, dann ist es misslungen. Eine pauschale Verunglimpfung der Großeltern-Generation, bei der man alles aus der Schublade zieht, was man ihr an möglichen Umweltsünden vorwerfen kann und es Kindern in den Mund legt, ist nicht konstruktiv. Das ist nicht die richtige Form, um ein wichtiges Problem zu behandeln. Ich kann verstehen, dass sich Menschen angegriffen fühlen. Zwar hat es eine Politisierung von Kindern schon früher gegeben, ich denke an das Lied „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern...“ von Franz Josef Degenhardt. Hier aber stellt sich die Frage, ob die Kinder überhaupt verstanden haben, was sie da singen. Sich einfach über Menschen lustig zu machen, ohne es inhaltlich einzuordnen, finde ich fragwürdig.

Sigi Domke, Kabarett-Autor, Verfasser vieler Komödien („Ronaldo und Julia“)

Autor Sigi Domke.
Autor Sigi Domke. © FUNKE Foto Services | Klaus Micke

In unserem Metier schreibt man ja vielfach für andere. Das ist immer eine Frage der Verantwortung, aber im Falle von Kindern ist sie ganz besonders hoch. Bei der „Umweltsau“ ist das einfach schiefgegangen. Man spannt die Kinder bei diesem Song ein - und ganz bestimmt haben sie nicht alles durchschaut, was sie singen, auch wenn sie es lustig finden. Als Autor verstehe ich den Ansatz, die Fakten decken ihn ja. Kindgerecht war das nicht. Die Kinder sind zum Spaß der Erwachsenen eingesetzt worden.

Prof. Karl-Martin Obermeier, Medienwissenschaftler an der Westfälischen Hochschule

Prof. Dr. Karl-Martin Obermeier
Prof. Dr. Karl-Martin Obermeier © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Ob man Kindern mit dem Text etwas in den Mund gelegt hat, ist nicht die Frage. Das ursprüngliche Lied von der Oma im Hühnerstall ist ja schon Satire. Das weiterzudrehen, finde ich vollkommen legitim. Es gibt den alten Spruch, Satire darf alles. Dazu stehe ich nach wie vor. Man sollte darüber lachen. Wer das nicht kann, dem fehlt der Humor.

Brigitte Zeitlmann ist Medienprüferin bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen

Brigitte Zeitlmann.
Brigitte Zeitlmann. © dpa Picture-Alliance / Martin Schutt

Natürlich werden die Kinder hier instrumentalisiert. Aber werden sie das nicht auch, wenn sie in einer TV-Show „süße“ Weihnachtslieder singen – hier war es eben was „Scharfes“? Der Unterschied ist wohl, dass Kinder bei einem Weihnachtslied wissen, worauf sie sich einlassen: eine kulturelle Verabredung, die erlernt ist. Am Ende sind wir bei der Frage: Heiligt der Kabarett-Zweck die Mittel? Interessant finde ich aber den Kontext: Wo ist eigentlich die Drastik? Das Wort „Sau“ fällt ganz sicher täglich auf Schulhöfen, aber von einem Kinderchor will es an den Festtagen niemand hören. Dass im selben Jahr das Wort „Drecksau“ für Renate Künast als erlaubte Beleidigung gilt, macht das Thema noch komplexer.

Umfrage: Christopher Onkelbach, Lars von der Gönna