Köln. Der WDR hat in einem umgedichteten Kinderlied Omas als Umweltsäue bezeichnet. Im Netz gibt es einen Sturm von Protesten.

Es begann mit etwas, das Satire sein sollte, es endete mit einem Shitstorm. Weil der Westdeutsche Rundfunk (WDR) in Köln in einem Kinderlied Senioren beleidigte, protestierten Tausende Hörer beim Sender. Der hat sich inzwischen in einer extra ins Programm aufgenommen Sondersendung entschuldigt. Der freie Mitarbeiter, der für den Beitrag verantwortlich ist dagegen, hat noch einmal nachgelegt.

Es ist ein Kinderlied, das alle kennen. „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ haben die Mädchen eines Dortmunder Kinderchores im Auftrag des WDR und unter der musikalischen Leitung von Zeljo Davutovic in einem knapp 90 Sekunden langen Video auf der Facebook-Seite des Senders gesungen. Aber abgesehen vom Refrain ist der Text komplett neu. Oma ist hier nämlich keine patente Frau wie im Original, sondern ‚ne alte Umweltsau“. Eine, die tausend Liter Super jeden Monat verbrennt, mit dem SUV zum Arzt fährt, zehn Kreuzfahrten im Jahr macht und sich Billigfleisch vom Discounter aufbrät „2019 Friday for Future Version“ hat der WDR die Neufassung anfangs noch genannt. Heute nennt er sie einen Fehler.

„Unterirdisch“, „unterstes Niveau“, „eine einzige Frechheit“

Hier und da gab es Zuspruch meistens aber hagelte es Proteste. Viele Hörer kritisierten „mangelnden Respekt“ gegenüber Älteren, andere schimpften, „Unterirdisch“, „unterstes Niveau“, „eine einzige Frechheit“. Die „Satire“ habe sehr unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Dies sei im besten Falle ja auch Sinn einer Satire, versuchte sich der WDR anfangs noch herauszureden. Doch da hatte sich das Thema längst verselbstständigt, obwohl das Video von allen WDR-Seiten gelöscht worden war.

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Bis zum Sonntag zählte der Kurznachrichtendienst Twitter über 40000 Tweets mit dem Hashtag Umweltsau. Selbst Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) meldete sich dort zu Wort. Mit diesem Lied habe der Sender „Grenzen des Stil und des Respekts gegen über Älteren überschritten. Jung gegen Alt zu instrumentalisieren ist nicht akzeptabel.“ Sogar Fridays for Future ging auf Distanz. SUV’s, Kreuzfahrten, fliegen, täglicher Fleischkonsum, seien natürlich alles Probleme, heißt es auf Twitter, aber: „Meine Oma ist KEIN Problem und schon gar keine Umweltsau.“

Zuspruch kommt von Jan Böhmermann

Unterstützung für das umgedichtete Kinderlied gab es dagegen – wenig überraschend – von ZDF-Satiriker Jan Böhmermann. „Wer sich jeden Tag billiges Discounterfleisch aufbrät, ist eine Umweltsau“, schrieb er. Und: „Ihr kleinen Umweltsäue würdet doch ohne mit der Wimper zu zucken einen Kinderchor alle drei Strophen des „Deutschlandliedes“ singen lassen. Und zwar nicht zum Spaß.“

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Als aus dem Proteststurm ein Orkan wurde und sich zurpauschalen Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausweitete, mit laut WDR teils „bösartigen Hassdrohungen und Beschimpfungen“ änderte der WDR am Samstag sein Radioprogramm und sendete ein „Spezial in eigener Sache“. Steffi Neu, eine der beliebtesten Moderatorinnen sollte retten, was längst nicht mehr zu retten war. Programmchef Jochen Rausch setzte sich mit ins Studio und gab zu, man habe bei dem Lied nicht lang genug über die „sprachliche Feinheit“ nachgedacht.

Intendant Tom Buhrow spricht von „einem Fehler“

Dann ließ sich auch noch WDR-Intendant Tom Buhrow in die Sendung zuschalten und sagte. „Das Video mit dem verunglückten Oma-Lied war ein Fehler und ich entschuldige mich ohne Wenn und Aber dafür“, Er rufe aus dem Krankenhaus seiner Heimatstadt Siegburg an, in dem sein 92-jähriger Vater seit Heiligabend sei. „Er sitzt neben mir, und ich kann sagen: Er ist keine Umweltsau. Er hat sein Leben lang hart gearbeitet.“

Ob es personelle Konsequenzen geben wird, ließ Rausch am Samstagabend offen. Der Beitrag sei nicht von einem fest angestellten Redakteur, sondern von einem freien Mitarbeiter erstellt worden. Es habe bereits Gespräche gegeben, weitere sollen folgen.

Freier Mitarbeiter legt auf seinem Twitter-Kanal nach

Denn während der Intendant um Verzeihung bat, legte der 24-Jährige auf seinem privaten Twitter Kanal am Samstag noch einmal nach. „Lass mal über die Großeltern reden, von denen, die sich jetzt über Umweltsau aufregen. Eure Oma war keine Umweltsau. Stimmt. Sondern eine Nazisau“, schrieb er dort. Viele Hörer machte das fassungslos. „Wie kann der WDR so etwas tolerieren?“ Tut er nicht. „Solche Äußerungen gehen gar nicht“, erklärt der Sender auf Anfrage. „Wir distanzieren uns scharf von Form und Inhalt.“

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Auch Chorleiter Zeljo Davutovic hat sich mittlerweile geäußert und gegen den Vorwurf gewehrt, die Kinder seien „instrumentalisiert“ worden. Man habe erklärt, was die Parodie bezwecken solle. Alle Mädchen hätten freiwillig und mit Zustimmung ihrer Eltern teilgenommen. Es geht nicht um die Oma, sondern um uns alle. Hier schließe ich mich persönlich ein. „Ich möchte mich als beteiligter Musiker bei allen entschuldigen, die sich trotz der Einordnung als Satire von uns persönlich angegriffen fühlen“, sagte Davutovic und stellte klar: „Wir haben in den vergangenen Jahren immer allergrößten Respekt vor Seniorinnen und Senioren gezeigt. Diesen werden wir uns auch in Zukunft nicht nehmen lassen.“