Am Sonntag wird Uwe Lyko, den die meisten besser als Herbert Knebel kennen, 65 Jahre alt. Höchste Zeit für ein paar persönliche Worte.
Mein lieber Herbert,
wir wissen ja: Dat Renteneintrittsalter is heute auch nich mehr, wat et mal war. Und auch wenn Du selbst auf der Bühne schon seit satten 31 Jahren als Rentner schaltest und waltest (also theoretisch eine unwahrscheinliche Altersgeld-Absahne betreibst), isses für den Mann hinter dem Knebel erst am morgigen Samstag soweit: Uwe Lyko wird 65, allerbeste Glückwünsche und alles, alles Gute!!! Spielt aber eh keine Rolle, denn privat bist Du ja immer noch viel jünger, als Deine Bühnenfigur Herbert Knebel es jemals war. Ans Aufhören ist eh nicht zu denken, schließlich stehen längst die Tourpläne bis tief ins kommende Jahr fest – und die fiesen Zipperlein lassen auch noch auf sich warten, denen fährt man bei so einer Knebel-Tour wohl einfach davon.
In den ersten Jahren von „Herbert Knebels Affentheater“ hab ich Dich noch gar nicht gesehen, das nenne ich heute mal salopp den Fluch der späten Geburt. Denn wer wäre nicht gern dabei gewesen, als 1988 der Qualm aus einer Zigarre in einer hoffnungslos vollgequarzten Bude in Essen hochstieg, was einen damals noch ziemlich unbekannten Kleinkünstler namens Uwe Lyko zu den Worten hinriss: „Boh glaubse, die ganzen Knochen gelb. Dat krisse doch nie im Leben wieder ab. Wir ham aber auch wieder wat weggeraucht, mein lieber Herr Gesangsverein!“ Einmal ausgesprochen – und ein Knebel ward geboren.
Der Auftritt war sogar noch vor der Türe gut
Aber was man danach mit Dir erlebt hat, mein lieber Herbert, das hab ich Dir wahrscheinlich nie erzählt. Mein erster Rauswurf geht doch glatt auf Dein Konto. Es war in Oberhausen, als ihr noch in kleinen, soziokulturellen Schuppen wie dem damals noch hübsch schmuddeligen Druckluft gespielt habt, es muss beim „Lecko Pfanni“-Programm gewesen sein, da waren die Knebels ja fast noch Untergrund.
Es war einer meiner frühen Einsätze als Rezensent für den Lokalteil. Das Problem: Wenn drei Journalisten im Publikum herumfitschen, werden sie sich finden. Und so war es: Man stand zu dritt (ja, es war unbestuhlt) hinten im rappelvollen Saal – und während Ihr mit dem Affentheater vorne laut die Knebel-Version von The Whos „Pictures Of Lily“ spieltet, fachsimpelten drei Pressefritzen hinten leise über Eure Lieder. Das missfiel einer jungen Dame in Fetzenjeans und Lederjacke – sie rief den mit ihr befreundeten Ordner, der ohne Diskussion die versammelte Lokalpresse vor die Türe setzte. Aber eins kannst Du mir glauben, lieber Herbert: Der Auftritt war sogar noch vor der Türe gut.
„Ich glaub, ich bin verschüttet“
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Zwei Jahre später, ich weiß nicht mehr ob zur Oberhausen-Premiere von „Getz aber in echt“ oder „Da sind wa schon wieder“ im Zentrum Altenberg, saß ein Kollege von der Konkurrenz-Zeitung neben mir. Der Kollege lachte lauthals über Eure Nummer in der Römer-Rüstung, er nässte sich bei „Ich glaub, ich bin verschüttet“ bald ein, also zumindest um die Augen rum – und war vor der Pause selbst verschütt’.
Ich dachte: Dem hat’s ja noch mehr gefallen als mir – und nachdem ich meine Zeilen voller Lob in die Tasten gehämmert hatte, las ich vom Kollegen tags darauf: schlappe Pointen, Pennäler-Humor, keine neuen Ideen. Tja, Kollegen können manchmal komisch sein.
So redet ihr im Ruhrgebiet
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Ich könnte jetzt noch erzählen, wie Du mir mit einer CD fast den Urlaub vermasselt hast, dank unseren Freunden aus Bremen, denen wir auf einer Urlaubsfahrt ein, zwei Scheiben von Dir vorspielten – und die im Kanaltunnel von Calais nach Dover skandierten: „Ja, genau so redet ihr da, und genauso isses bei euch!“ Da wurde der England-Trip erstmal zur Pott-Verteidigung.
So, und jetzt ist’s bald genug. Nur eins noch: „Wie ist der Knebel denn so privat?“ Das fragen die Leute mich immer. Ich sage dann meist: Genau wie auf der Bühne – aber ganz anders! Denn viele denken, dass all der Hinterwitz, die schlaue Beobachtung und die pointierte Komik ja unfreiwillig entstehen. Sie verkennen, dass Uwe Lyko die Scherze nur treiben kann, weil er ein kritischer, sehr ernster Beobachter ist (was für die Knebel-Mitautoren Sigi Domke und Martin Breuer auch gilt). Dann erzähle ich noch, dass man mit Dir immer ein klares Wort reden kann. Und dass Dir die Jahre vor ausverkauften Sälen nicht zu Kopf gestiegen sind.
Also, von mir aus kannst Du so bleiben, als Uwe wie als Herbert.
Prost auf die nächsten 65 Jahre!
Dein Georg Howahl