Hagen. Autor Kai Meyer (Merle-Trilogie, Seiten der Welt) im Interview: Er schildert, was die Mission der Apollo 11 für die Literatur bedeutet.


(Joseph Haydn, Die Schöpfung)Die Mondlandung erweist sich im Rückblick als die letzte große Expedition der Menschheit. Am 21. Juli 1969 hat man allerdings gedacht, der erste Schritt auf den Erdtrabanten bedeute den ganz großen Aufbruch. Für Schriftsteller ist die Mondfahrt schon seit Jahrhunderten ein Thema. Wie hat die reale Mondlandung die Science Fiction beeinflusst? Autor Kai Meyer (Merle-Trilogie, Seiten der Welt) schildert, was die Mission der Apollo 11 für die Literatur bedeutet.

Seit Galileo Galileis Mondbeobachtungen 1609 wissen wir, dass wir nicht die Welt sind, sondern als Erde nur Teil eines Systems von Planeten, Sternen und Monden. Hatte die Mondlandung Folgen für die literarische Erkundung dieses Universums?

Kai Meyer: Die große Frage lautet: Was ist da draußen? Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ verknüpft 1968, ein Jahr vor der tatsächlichen Apollo-Mission, realistische Bilder mit der mythologischen Aufladung der Mondlandung. Durch die Mondlandung und vor allem durch diesen Film ist das Interesse an Science Fiction als Genre wieder erwacht. „2001“ hat das SF-Genre komplett umgekrempelt.

Verlosung: Buchpakete mit Weltraum-Märchen

Die Galaxis steht in Flammen. Die Maschinengötter sind erwacht und stürzen das Sternenreich in einen kosmischen Krieg. Wir verlosen anlässlich der Mondlandung zweimal die komplette Trilogie „Die Krone der Sterne“ von Kai Meyer, die im Fischer-Verlag erschienen ist.

Wer gewinnen will, schreibt bis 27. Juli eine Mail mit dem Stichwort „Mondlandung“ an
kultur@westfalenpost.de

Der Autor Kai Meyer gilt als wichtigster Vertreter der deutschen Phantastik. Für seine Trilogie um Merle und die Fließende Königin wurde er für den Deutschen Bücherpreis nominiert; Die Seiten der Welt – Blutbuch gewann den Deutschen Phantastik-Preis. Mit „Die Krone der Sterne“ verbindet er Science Fiction und Phantastik.

Man verbindet Science Fiction hierzulande immer mit Mr. Spock und Captain Kirk vom Raumschiff Enterprise. Wurde Star Trek auch durch die Mondlandung beeinflusst?

Raumschiff Enterprise ist in den USA bereits 1966 ins Weltall aufgebrochen, also vor der eigentlichen Apollo-Mission, thematisiert aber natürlich den Zeitgeist. Jetzt scheint es eben tatsächlich im Bereich des technisch Möglichen, die Erde zu verlassen. Der sowjetische Sputnik war 1957 der erste künstliche Erdsatellit auf einer Umlaufbahn.

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Das Revolutionäre an Star Trek war, dass es dem irdischen militärischen Wettrüsten und Wettlauf um die Vorherrschaft im All ein positives Zukunftsbild entgegensetzt, eine interstellare Weltengemeinschaft von Menschen und Aliens zeigt. Star Trek hat aktuelle irdische Probleme aufgegriffen und ins Positive umgewandelt. In diesem Zusammenhang ist in Deutschland aber vor allem Perry Rhodan interessant.

Perry Rhodan und die Mondfahrt?

Der erste Perry-Rhodan-Roman ist 1961 erschienen und hat die Mondlandung für 1971 vorausgesagt, also ziemlich exakt. Auf dieser Mondlandung und dem, was die Menschen dort finden, basiert der komplette Weltentwurf der Serie um den Astronauten Perry Rhodan.

Sie selbst sind am 23. Juli 1969 geboren. Hat dieses Datum Sie geprägt?

Als Kind war ich ganz stolz darauf, nur wenige Tage nach der Mondlandung geboren zu sein. Meine ersten Berührung mit der Phantastik war die Serie Mondbasis Alpha 1, da geht es um eine Station auf dem Mond, der durch eine Explosion aus seiner Umlaufbahn geschleudert wird und durch das All rast. Das war eine ziemlich atmosphärische Geschichte, heute ist es eine Kultserie. Aber für mich war Star Wars die Initialzündung, der erste Auslöser, um selber auf kindliche Weise kreativ zu werden. Ich habe mit zwölf sogar angefangen, eine Fortsetzung zu schreiben, die liegt hier bei mir in einer Kiste mit all meinen ersten Schreibversuchen.

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Sie haben gerade den dritten Band „Maschinengötter“ Ihrer Trilogie „Krone der Sterne“ herausgebracht. Darin gibt es Raumkathedralen, Hexen, Maschinenherrscher, einen Ikonoklasten und einen Pilgerkorridor. Das ist alles ziemlich weit entfernt von der Technikeuphorie der Anfangsjahre der Science Fiction.

Es war mein Kindheitstraum, eine Weltraum-Oper zu schreiben, den habe ich mir mit „Die Krone der Sterne“ erfüllt. Star Wars hat 1977 noch einmal ein riesiges Science-Fiction-Fieber ausgelöst, mit einer sehr naiven Begeisterung für diese tollen Bilder und diese unwissenschaftliche Art von Science Fiction. Genau dahin wollte ich mit „Die Krone der Sterne“ zurück: Bunt und groß von der Bildsprache her, Spaß am Weltraumabenteuer.

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„Die Krone der Sterne“ ist Post-Science-Fiction. Die Verheißungen der Raumfahrt haben sich nicht eingelöst. Das All ist lebensfeindlich, seine Unermesslichkeit bringt die Menschlein um den Verstand. Aber es gibt faszinierende Figuren. Ihre Muse zum Beispiel ist ein Android, der selbstständig eine Ethik entwickelt und sich aus der Programmierung löst.

Die Muse habe ich erfunden, weil ich nicht nur amoklaufende Roboter haben wollte, sondern auch ein paar Fragezeichen. Woher kommen die Maschinen? Woher kommen die Menschen? Gab es noch etwas ganz anderes, das beide erschaffen hat, eine völlig unfassbare Intelligenz? Jede Science Fiction erzählt von einer Suche.

Was ist von der Mondlandung geblieben? Nur Teflonpfannen und Rollkoffer und einige traurige Popsongs?

Nein, sie ist bis heute das Symbol schlechthin für den Aufbruch der Menschheit ins All und wird noch in tausend oder zehntausend Jahren, falls es uns dann noch gibt, diesen Symbolcharakter besitzen. Eher wird er sogar wachsen und sich zum modernen Mythos verklären, wenn wir es denn wirklich mal bis zum Mars und darüber hinaus schaffen sollten.

Im Augenblick erscheint die Mondlandung manchen vielleicht ein wenig angestaubt, aber das wird sich spätestens dann ändern, wenn den Menschen keine Wahl mehr bleibt, als über die Erde hinaus zu denken. Wenn die ersten Kolonisten wer weiß wohin starten, wird man wieder an 1969 denken.