Oberhausen. Mit Elan und Ehrenamt, einer Liebhaber-Bibliothek und einem Lagerraum geht das Literaturhaus Oberhausen an der Marktstraße bald ins dritte Jahr.
Im August wird das Literaturhaus Oberhausen zwei Jahre alt; da wird in der langen Kulturnacht gefeiert: „Schlaflos in Oberhausen“. Im Ladenlokal mitten in der Fußgängerzone erzählte Hartmut Kowsky-Kawelke unserer Redakteurin Britta Heidemann für die Serie Literaturgebiet Ruhr von Büchersammlern, Lagerräumen und dem „Mallorca-Syndrom.“
Die Bücher
Am Anfang waren die Wörter, sie standen in 6000 Büchern und gehörten dem verstorbenen Lektor und Bücherliebhaber Manuel Heßling. Legendär seine literarischen Salons, Diskussionsrunden inmitten dieser Bibliothek. Eine Erinnerung, die nicht zerschlagen, verstreut werden sollte. Familie und enge Freunde waren sich einig: Die Bibliothek sollte als Ganzes erhalten bleiben.
Die Macher
Zwei Oberhausener, eine Idee: Der Palliativmediziner Michael Huhn-Gathmann und der ehemalige Journalist Hartmut Kowsky-Kawelke suchten gemeinsam einen Ort, um die Bibliothek zu präsentieren, vor allem aber, um Autorinnen und Autoren einzuladen, eine Schreibwerkstatt einzurichten, Wettbewerbe zu organisieren. Nur war ein geeigneter Ort gar nicht so einfach zu finden. „Wir haben uns immer samstags in der Marktstraße getroffen, bei ,Le Baron’ haben wir italienisch gefrühstückt“, erinnert sich Hartmut Kowsky-Kawelke (62). „Und irgendwann ist uns dieser leerstehende Raum aufgefallen...“
Der Raum
Bücher, Bücher, Bücher an den Wänden, eine Bühne im Schaufenster, ein Klavier in der Ecke: Kaum mag man sich vorstellen, dass im „Literaturhaus Oberhausen“ einst Paletten und Weinkisten gelagert wurden. Emile Moawad, Inhaber der Weinlounge Le Baron, benötigte damals eine Nacht zum Drüberschlafen, dann rief er die Literaturfreunde an und sagte: „Machen wir!“ Für kleines Geld darf das Literaturhaus nun seit März 2017 logieren – dafür serviert Moawad die Getränke.
Die Straße
„Mir ist klar, dass ich nicht die Schönste erwischt habe, aber sie ist warmherzig, humorvoll und leidenschaftlich.“ So schreibt es Ralph Hammerthaler über die Oberhausener Einkaufsmeile Marktstraße: Das „Straßenschreiber“-Stipendium für den Berliner Schriftsteller war eines der ersten Projekte des Literaturhauses; das Buch „Marktstraße“ versammelt nun Eindrücke und Porträts, in denen das Ruhrgebiet sich spiegelt.
Die Autorinnen und Autoren
Ralph Hammerthaler zählte, neben Annette Mingels und Frank Witzel, zu den ersten Lesenden in Oberhausen. Die Bildergalerie der bisherigen Gäste verrät: Wenn der auf nunmehr drei Vorstandsmitglieder und etliche Helfer angewachsene Verein auswählt, ist Vielfalt garantiert. Jüngst waren Jan Zweyer und Karen Duve zu Gast, Marion Poschmann, Esther Kinsky und Michael Kumpfmüller. Für August ist Frank Goosen angekündigt.
Die Finanzen
Die Stadt hilft, das Land und die Sparkasse auch – müssen aber immer wieder gefragt werden. Man darf sich die Literaturhaus-Macher als Menschen vorstellen, die im Geiste die Ärmel immer hochgekrempelt tragen: „Als für das Marktstraßenprojekt plötzlich die Förderung wegfiel, da haben wir Spenden gesammelt“, erzählt Hartmut Kowsky-Kawelke – mehrere tausend Euro kamen zusammen.
Das Publikum
Kommt immer wieder! Bis zu 60 Gäste zählen die Lesungen, auch mittwochsabends finden Lesende den Weg in die geöffneten Räume, greifen dies oder das aus der Bibliothek. Vom „Mallorca-Syndrom“ spricht Kowsky-Kawelke schmunzelnd, wenn es um die Lese-Abende geht: „Wenn wir um 18 Uhr den Raum aufschließen, kommen die ersten, legen ihre Jacke auf ihren Platz – und gehen dann bei Le Baron gemütlich essen.“
Die Jugend
Ist den Oberhausenern wichtig: Gerade denken sie über eine Kooperation mit den Poetry-Slammern von „Wortlaut Ruhr“ nach. Bis Ende Juli läuft noch die Ausschreibung für einen Nachwuchs-Literaturpreis, auf den junge Oberhausener von 16 bis 21 Jahren sich bewerben können.
Der Grund
Zeit, Mühe, Arbeit: Die Literaturhausbauer sind Ehrenamtler, wie sie im Buche stehen, die Liebe zur Literatur muss schon groß sein – aber warum? Hartmut Kowsky-Kawelke, sonst um schnelle Sätze nicht verlegen, zögert bei dieser Frage zum ersten Mal. „Man kann mit Büchern“, sagt er dann und schaut in die Regal-Runde, „durch Raum und Zeit reisen“.