Oberhausen. Mit 12.000 Fans feierte Panikrocker Udo Lindenberg in Oberhausen eine große Party. Die schönsten, schrägsten Momente: So war das Konzert.

Mit nur einer Minute Verspätung begann die große Party: Pünktlich um 20.01 donnerte auf der Videoleinwand ein Flugobjekt namens „Panik 1“ heran, schwebte Udo Lindenberg in einem Raumschiff auf die Bühne. Mit 73 Jahren legt auch der Rockmusiker Wert auf Pünktlichkeit.

Leider konnte sein Publikum in der ausverkauften Arena Oberhausen nur bedingt liefern: Viele suchten da noch ihre Plätze, aufgehalten von enormen Schlangen und gründlichen Taschenkontrollen. 30 Songs und zweieinhalb Stunden später aber waren alle eine einzige große Familie: „Wir machen ein Foto“, trommelte Lindenberg sein Panikorchester auf der Bühne zusammen, die feiernde Menge im Rücken – „und ihr seid alle mit drauf!“.

Udo Lindenberg in Oberhausen – Das waren die schönsten Songs

Gleich zu Beginn gab Lindenberg alles: Zur „Honky Tonky Show“ tanzten Udo-Doppelgänger, fegte die ganze große Udo-Mannschaft über die Bühne. In den zweieinhalb Stunden war für jede Art von Fan etwas dabei, für die Jungen und Junggebliebenen: „Horizont“ zum Mitschmachten, „Sonderzug nach Pankow“ für Nostalgiker, „Alles klar auf der Andrea Doria“ mit Ich-bin-noch-fit!-Hüftschwung.

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Die Dreharbeiten zum Udo Lindenberg Film laufen am 16.10.2018 in der Eisenbahnsiedlung an der Henschelstra§e 14 in Duisburg weiter. Bild: Die Komparsen und Statisten min den sich vor Beginn der Dreharbeiten vor der GaststŠtte zur Quelle ein. Foto : Arnulf Stoffel / Funke Foto Services
Von Marius Fuhrmann (Text) und Arnulf Stoffel (Fotos)

So richtig Gänsehaut brachte „Stärker als die Zeit“, bei „Sternenreise“ gab’s ein Handy-Sterne-Meer im Publikum. Das „Cello“ kam erst mit saloonfähiger Gitarrenbegleitung ganz frisch daher, dann hing der Himmel voller Cellistinnen im Engelsgewand – und unser Udo sang doch tatsächlich: „Und heute wohnst du in OBERHAUSEN und dein Cello steht im Keller...“

Das hat ein wenig genervt

Das groß geschriebene OBERHAUSEN in vielen Wortbeiträgen des aus dem quasi benachbarten Gronau stammenden Musikers kam zuweilen etwas ranschmeißerisch daher - hätte es gar nicht gebraucht! Außerdem: So ehrenwert die anti-kriegerische Haltung Udo Lindenbergs ist („Wozu sind Kriege da“), so ehrenwert sein Appell an die katholische Kirche, auch die Ehe von Schwulen und Lesben anzuerkennen („Du heißt jetzt Jeremias“) – rund um den Song „Ratten“ hat er sein Umweltbewusstsein und seine gefühlte Nähe zu den Fridays-for-Future-Protesten etwas zu sehr betont.

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„Wenn er das so gut findet“, sagt die zwölfjährige Schülerin im Publikum, „dann soll er mal überlegen, was das ganze Licht hier Strom verbraucht.“ Von den vielen Plastikgirlanden und dem Konfetti, das aufs Publikum niederregnete, mal ganz zu schweigen!

So war die Licht- und Ton-Show

Auf der riesigen Videowand gab es nahezu zu jedem Song die passenden Bilder - vom Segelboot (klar: zu „Ich träumte oft davon ein Segelboot zu klauen“) bis zu Onkel Pös Kneipe („Alles klar auf der Andrea Doria“) und einer Kathedrale („Jeremias“), flankiert von perfekt inszenierten Lichtstimmungen. Dazu Pyrotechnik zum fulminanten Auftakt und Video-Projektionen aufs Publikum - hätte kaum besser sein können.

Das ist Panikrocker Udo Lindenberg

Seine Hits heißen „Hinterm Horizont“ oder „Stark wie Zwei“: Rockmusiker Udo Lindenberg wurde am 17. Mai 1946 in Gronau (Nordrhein-Westfalen)geboren, ist Sohn des Installateurs Gustav und der Hausfrau Hermine und er war als Kind vom Wunsch getrieben, „reich und berühmt“ zu werden. Bilder des Panikrockers.
Seine Hits heißen „Hinterm Horizont“ oder „Stark wie Zwei“: Rockmusiker Udo Lindenberg wurde am 17. Mai 1946 in Gronau (Nordrhein-Westfalen)geboren, ist Sohn des Installateurs Gustav und der Hausfrau Hermine und er war als Kind vom Wunsch getrieben, „reich und berühmt“ zu werden. Bilder des Panikrockers. © obs | © MDR/Marco Prosch
Seit Ende der 60er Jahre lebt er bevorzugt in Hamburg – in frühen Jahren in einer WG mit Komiker Otto Waalkes und Rocker Marius Müller-Westernhagen, inzwischen im Hotel „Atlantic“. Dort entwarf er das Bild vom Rock-Revolutionär.
Seit Ende der 60er Jahre lebt er bevorzugt in Hamburg – in frühen Jahren in einer WG mit Komiker Otto Waalkes und Rocker Marius Müller-Westernhagen, inzwischen im Hotel „Atlantic“. Dort entwarf er das Bild vom Rock-Revolutionär. © dpa | Christian Charisius
Markante Silhouette.
Markante Silhouette. © Bongarts/Getty Images | Lars Baron
Udo wie man ihn kennt und liebt: enge Beinbekleidung, torkelnde Lindi-Choreografie und deutsche Texte.
Udo wie man ihn kennt und liebt: enge Beinbekleidung, torkelnde Lindi-Choreografie und deutsche Texte. © imago | ZUMA Press
Eigentlich erfolgreicher Schlagzeuger, trat er Anfang der 70er Jahre in den Vordergrund. 1973 gelang ihm mit „Alles klar auf der Andrea Doria“ der Durchbruch.
Eigentlich erfolgreicher Schlagzeuger, trat er Anfang der 70er Jahre in den Vordergrund. 1973 gelang ihm mit „Alles klar auf der Andrea Doria“ der Durchbruch. © imago | Roba/Siegfried Pilz
Die Deutschen horchten auf: Das klang anders als alles, was bis dahin aus den Radios dröhnte.
Die Deutschen horchten auf: Das klang anders als alles, was bis dahin aus den Radios dröhnte. © dpa | Dieter Klar
Lindenberg wurde zum Wegbereiter.
Lindenberg wurde zum Wegbereiter. © dpa | Schilling
„Ohne Udo Lindenberg würden wir alle nicht das erreicht haben mit unserer deutschsprachigen Rockmusik, was passiert ist“, sagte seine Kollegin Nina Hagen.
„Ohne Udo Lindenberg würden wir alle nicht das erreicht haben mit unserer deutschsprachigen Rockmusik, was passiert ist“, sagte seine Kollegin Nina Hagen. © imago/BRIGANI-ART | imago stock&people
Und er schrieb Geschichte(n): Diese Aufnahme zeigt Lindenberg und sein Panikorchester beim Auftritt in der Veranstaltung „Für den Frieden der Welt“ am 25. Oktober 1983 in der DDR-Hauptstadt Berlin im Palast der Republik. Vier Lieder durfte Lindenberg, der acht Jahre um eine Auftrittsgenehmigung in der DDR gekämpft hatte, bei dem von der FDJ organisierten Konzert singen.
Und er schrieb Geschichte(n): Diese Aufnahme zeigt Lindenberg und sein Panikorchester beim Auftritt in der Veranstaltung „Für den Frieden der Welt“ am 25. Oktober 1983 in der DDR-Hauptstadt Berlin im Palast der Republik. Vier Lieder durfte Lindenberg, der acht Jahre um eine Auftrittsgenehmigung in der DDR gekämpft hatte, bei dem von der FDJ organisierten Konzert singen. © dpa | Reinhard Kaufhold
Am 9. September 1987 überreichte der deutsche Rockmusiker dem ehemaligen SED-Generalsekretär Erich Honecker (M) bei dessen Besuch 1987 in Wuppertal eine – laut Lindenberg – „nicht ganz billige Gitarre“ mit der Aufschrift „Gitarren statt Knarren“.
Am 9. September 1987 überreichte der deutsche Rockmusiker dem ehemaligen SED-Generalsekretär Erich Honecker (M) bei dessen Besuch 1987 in Wuppertal eine – laut Lindenberg – „nicht ganz billige Gitarre“ mit der Aufschrift „Gitarren statt Knarren“. © dpa | Franz-Peter Tschauner
Irgendwann aber sah man „Uns Udo“ mehr auf dem Barhocker als auf der Bühne: Alkoholexzesse, kein angemessenes Alterswerk in Sicht.
Irgendwann aber sah man „Uns Udo“ mehr auf dem Barhocker als auf der Bühne: Alkoholexzesse, kein angemessenes Alterswerk in Sicht. © dpa | Istvan Bajzat
„Und der Whisky, der zieht runter – und sein Blut wird schnell und warm. Und jetzt nimmt ihn Lady Whisky ganz zärtlich in den Arm“, sang er Anfang der 90er Jahre.
„Und der Whisky, der zieht runter – und sein Blut wird schnell und warm. Und jetzt nimmt ihn Lady Whisky ganz zärtlich in den Arm“, sang er Anfang der 90er Jahre. © dpa | Christian Charisius
Im Jahr 2000 wäre er fast an einer Alkoholvergiftung gestorben – so steht es in einer im Oktober 2018 erscheinenden Biografie des Autors Thomas Hüetlin, an der der Panikrocker mitgewirkt hat. Nach dem Abschlusskonzert der Tournee mit der Initiative „Rock gegen rechte Gewalt“ durch den Osten Deutschlands lieferte sich Lindenberg demnach selbst ins Krankenhaus ein. Laut seinem Biografen hatte er 4,7 Promille.
Im Jahr 2000 wäre er fast an einer Alkoholvergiftung gestorben – so steht es in einer im Oktober 2018 erscheinenden Biografie des Autors Thomas Hüetlin, an der der Panikrocker mitgewirkt hat. Nach dem Abschlusskonzert der Tournee mit der Initiative „Rock gegen rechte Gewalt“ durch den Osten Deutschlands lieferte sich Lindenberg demnach selbst ins Krankenhaus ein. Laut seinem Biografen hatte er 4,7 Promille. © REUTERS | REUTERS / HANNIBAL HANSCHKE
„Was Udo auf dieser Tournee an Alkohol in sich hineinschüttete, bildete selbst für einen Menschen seiner Konsumgewohnheiten einen neuen Höhepunkt“.
„Was Udo auf dieser Tournee an Alkohol in sich hineinschüttete, bildete selbst für einen Menschen seiner Konsumgewohnheiten einen neuen Höhepunkt“. © Getty Images | Alexander Koerner
Manchmal hätten Doppelgänger auf der Bühne gestanden. Außerdem habe Lindenberg zeitweise eine kugelsichere Weste getragen, weil er Morddrohungen erhalten habe.
Manchmal hätten Doppelgänger auf der Bühne gestanden. Außerdem habe Lindenberg zeitweise eine kugelsichere Weste getragen, weil er Morddrohungen erhalten habe. © Getty Images | Alexander Koerner
2003 folgte auf seinem neuen Album ein Dankeschön an seinen Körper: „Ich hab’ geraucht so wie ein Schlot und gesoffen wie ein Loch. Ich hab’ dich super hart geschunden, trotzdem leben wir immer noch.“
2003 folgte auf seinem neuen Album ein Dankeschön an seinen Körper: „Ich hab’ geraucht so wie ein Schlot und gesoffen wie ein Loch. Ich hab’ dich super hart geschunden, trotzdem leben wir immer noch.“ © Getty Images | Alexander Koerner
Immer wieder räumte er aber auch ein: „So manche hohe Wissenschaft und Symphonien und höhere Sphären wär’n nicht entstanden, wenn die Kollegen immer nur nüchtern geblieben wären.“
Immer wieder räumte er aber auch ein: „So manche hohe Wissenschaft und Symphonien und höhere Sphären wär’n nicht entstanden, wenn die Kollegen immer nur nüchtern geblieben wären.“ © dpa | Marcus Brandt
Andere hätte das aus der Bahn geworfen, Lindenberg aber kriegte die Kurve: Mit dem Comeback vor acht Jahren gelang ihm mit „Stark wie Zwei“ das erste Nummer-Eins-Album seiner Karriere. 2012 steht er gemeinsam mit Jan Delay auf der Bühne des Echo Awards 2012. Auf seiner jüngsten CD „Stärker als die Zeit“ von 2016 hat er seinem stark beanspruchten Körper mit „Mein Body Du und ich“ ein eigenes Lied gewidmet: „Ey mein Body, du und ich / Ich weiß, du lässt mich nicht im Stich! / And’re hätten bei so ‘nem Leben / Längst den Löffel abgegeben.“
Andere hätte das aus der Bahn geworfen, Lindenberg aber kriegte die Kurve: Mit dem Comeback vor acht Jahren gelang ihm mit „Stark wie Zwei“ das erste Nummer-Eins-Album seiner Karriere. 2012 steht er gemeinsam mit Jan Delay auf der Bühne des Echo Awards 2012. Auf seiner jüngsten CD „Stärker als die Zeit“ von 2016 hat er seinem stark beanspruchten Körper mit „Mein Body Du und ich“ ein eigenes Lied gewidmet: „Ey mein Body, du und ich / Ich weiß, du lässt mich nicht im Stich! / And’re hätten bei so ‘nem Leben / Längst den Löffel abgegeben.“ © Getty Images | Andreas Rentz
Mit über 70 Jahren ist er fitter denn je, rockt weiterhin stundenlang über die Bühne.
Mit über 70 Jahren ist er fitter denn je, rockt weiterhin stundenlang über die Bühne. © dpa | Wolfram Kastl
Denkmäler wurden für ihn errichtet, darunter in seinem Heimatort, dem westfälischen Gronau.
Denkmäler wurden für ihn errichtet, darunter in seinem Heimatort, dem westfälischen Gronau. © dpa | Henning Kaiser
Die Denkmäler hat er sich selbst gesetzt, nicht nur mit seinen Songs, auch mit einem eigenen Musical „Hinterm Horizont“ , das nach Berlin auch in Hamburg erfolgreich zu sehen war.
Die Denkmäler hat er sich selbst gesetzt, nicht nur mit seinen Songs, auch mit einem eigenen Musical „Hinterm Horizont“ , das nach Berlin auch in Hamburg erfolgreich zu sehen war. © Getty Images | Andreas Rentz
Sein privates Glück hat er bei der Fotografin Tine Acke gefunden.
Sein privates Glück hat er bei der Fotografin Tine Acke gefunden. © imago stock&people | Future Image
In den Achtzigern verband Lindenberg und Nena eine heimliche Liaison – sie dauerte etwa ein Jahr.
In den Achtzigern verband Lindenberg und Nena eine heimliche Liaison – sie dauerte etwa ein Jahr. © imago stock&people | TBM UnitedArchives
Die „Nachtigall“, wie er sich immer nennt will noch länger oben in der „panischen Umlaufbahn“ bleiben.
Die „Nachtigall“, wie er sich immer nennt will noch länger oben in der „panischen Umlaufbahn“ bleiben. © dpa | Christian Charisius
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Auf den Ton traf das leider nicht zu, gerade zu Beginn dominierte das Schlagzeug zu sehr, brummten die Bässe alles andere an die Wand. Inklusive Udo Lindenbergs ohnehin vernuscheltem Gesang… Schade!

Das waren die (Ehren-)Gäste

Die „Kids on Stage“ aus Düsseldorf sind die ganze Tour mit dabei und ganz zauberhaft, wenn sie um weniger Kriege in der Welt bitten oder mit Artikeln des Grundgesetzes für mehr Toleranz werben. Die Solisten rund um Lindenbergs Panikorchester sind herausragend und werden von ihm gegen Konzertende ausführlich gewürdigt - da wirkt das Udoversum tatsächlich wie ein Reich der Liebe und Freundschaft.

Udo Lindenberg brachte bei seinem Konzert in Oberhausen Komiker Otto Waalkes als Überraschungsgast mit.
Udo Lindenberg brachte bei seinem Konzert in Oberhausen Komiker Otto Waalkes als Überraschungsgast mit. © Funke Foto Services GmbH | Olaf Fuhrmann

Daneben holt er sich für (fast) jedes Konzert Ehrengäste dazu – in Hamburg sangen Johannes Oerding und Schauspielerin Maria Furtwängler. Und in Oberhausen? War Komiker Otto Waalkes der Überraschungsgast – und holte das Publikum in der Arena erstmals von den Sitzen, als er zur Melodie von „Englishman in New York“ sang; „Ich bin ein Friesenjung und ich wohne hinterm Deich...“ Und dann jodelte die ganze Arena!

Das war der schrägste Moment

Jodeln mit Otto ist zwar kaum zu toppen, aber was ein Panikrocker ist, der schafft auch das. So bunt war die Bühnenshow, dass man froh war um Udos knallgrüne Socken – so war er in all dem Getümmel noch immer gut zu erkennen.

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