Essen. Elf Städte waren im Rennen um den Titel Kulturhauptstadt Europas 2010, Essen ging daraus als Sieger hervor. Die Bewerber von damals verwirklichen eigene Projekte und ein gemeinsames. "National Heroes" macht alle zu Gewinnern.
So friedlich muss es zuletzt in Noahs Arche zugegangen sein: Gemeinsam präsentieren sich Ruhr.2010 und seine elf – ja, wie sagen wir jetzt? Gegner sind sie nicht mehr, Konkurrenten auch nicht, und als Verlierer müssen sie sich schon gar nicht sehen.
Augsburg, Bremen, Görlitz – sie alle wollten Kulturhauptstadt 2010 werden; und Halle, Karlsruhe, Kassel, Lübeck, Münster, Osnabrück, Potsdam und Regensburg auch. Und dann war da noch die Stadt nebenan, die glaubte, sie würde mit ihrem Dom die Sache im Handstreich für sich entscheiden; aber die wollte jetzt nicht mitmachen bei dem Projekt, das sich ironisch „National Heroes” nennt, nationale Helden, und das 2010 alle vereint: Sieger und zweite Sieger.
Kassel, Stadt im Glück
Die Idee kam aus der Stadt, die sich mit dem Slogan beworben hatte: „Karlsruhe – mit Recht”. Sie schlug vor, ihren historischen Privilegienbrief von 1715 weiter zu entwickeln – nicht, um wie einst Händler und Handwerker anzuwerben, sondern um ein Dokument zu schaffen, das fragt, welche Bedeutung Kunst und Kultur für die Städte haben. Der „Europäische Stadtbrief” wird jeden Monat weitergereicht und in der nächsten Stadt fortgeschrieben.
Daneben führt jede Stadt Projekte aus ihrer Bewerbung fort – als wäre sie selbst Kulturhauptstadt 2010.
Görlitz, 2006 der letzte Mitbewerber, lässt junge Künstler aus Europa an der alten Königsstraße Via Regia Ausstellungen organisieren. Lübeck baut wie geplant sein Europäisches Hansemuseum, Halle macht für einen halben Tag seine Hochstraße „Magistrale” zum Boulevard – erfreut kommentiert 2010-Geschäftsführer Oliver Scheytt: „Schön, dass Sie auch eine Straße sperren!” Am 18. Juli, kündigt er an, ist für jede der elf Städte ein Tisch auf der A40 reserviert.
Auf der Zeche nach drei
Kassel darf man als Stadt im Glück betrachten – die Neuordnung seiner Museumslandschaft für sagenhafte 220 Millionen findet auch ohne Titel statt. Und das Augsburger Projekt wird nach Essen transportiert: Das Friedensfest am 8. August wird auch in der Zeche Carl gefeiert, interkulturell, interreligiös. Der Pfarrer in Altenessen hat es organisiert.
Am 9. Januar wird Karlsruhe den Europäischen Stadtbrief Essen überreichen, an promineter Stelle: auf Zollverein. Und zu prominenter Stunde – vor dem Festakt zur Eröffnung der Kulturhauptstadt. „Um 15 Uhr 18”, sagt Scheytt todernst. „Naja, vielleicht wird es 15 Uhr 19.” Wie schön – die Kulturhauptstadt bleibt flexibel.