Bielefeld. Publikumsmagnet Impressionismus - soviel Gefühl, soviel Gemüt war lange nicht in deutschen Ausstellungshallen. Zu Wuppertal und Dortmund fügt sich die Ausstellung "Der Deutsche Impressionismus" in der Kunsthalle Bielefeld.
Während uns draußen der scharfe Wind des Krisenwinters um die Nase weht, richten uns die Museen zwischen Dortmund, Bielefeld und Wuppertal nun licht- und gemütsdurchflutete Wärmestuben für die Alltags-Seele ein. Monet präsentiert sich in Wuppertal als Publikumsmagnet in voller Seerosenblüte, in Dortmund locken die „Berliner Impressionisten” mit stimmungsvollen Ansichten von Biergärten und sacht dümpelnden Alster-Bötchen.
Nun hat die Kunsthalle Bielefeld zur groß angelegten Überblicksschau ausgeholt und sich dabei die nationale Sicht zu eigen gemacht. Die Ausstellung über den „deutschen Impressionismus” soll nicht nur die Stars ihrer Zeit mit Max Slevogt, Max Liebermann und Lovis Corinth in den Mittelpunkt rücken, sondern gewissermaßen Wiedergutmachung an einer verkannten Malergruppierung üben. Der deutsche Impressionismus, so die These, war nicht nur eine vergleichsweise kurze und nicht sonderlich bedeutsame Folgeerscheinung des französischen Impressionisten. Betont wird vielmehr das künstlerische Eigenleben einer deutschen Malerbewegung von Gottfried Kuehl bis Lesser Ury und ihre große Bandbreite vom eleganten Großstadt-Boulevard bis zum Tiger im Zoo. Die Schau schafft damit auch Raum für die Künstler der zweiten Reihe, die, teils aus den Depots befreit – nun endlich wieder Licht sehen können.
Begegnung mit vielen Unbekannten
180 Werke hat Kuratorin Jutta Hülsewig-Johnen zusammengetragen. Es ist eine Begegnung mit vielen Unbekannten. Mehr als 35 deutsche Künstler, die zwischen 1890 und dem Ersten Weltkrieg in den Salons der Secession von sich reden machten, stellt die Schau mit Werken und Werdegang vor. Es gibt viel zu lesen und zu sehen – von höchst unterschiedlichen Persönlichkeiten und ihren künstlerischen Vorstellungen von Arbeitswelten, Freizeitfreuden, Wohninterieurs der Jahrhundertwende.
Wir erkennen, dass Gotthard Kuehls „Milchmädchen” noch mehr im stumpf-tonigen Glanz niederländischer Altmeister strahlt als im fahlen Licht der Franzosen. Wir sehen, wie Konrad von Kardoff die ersten Sonnenflecken in die wohlsituierte Bürgerwelt tupft, die Albert Weisgerber in seinen schattigen Biergarten-Bildern aufnimmt. Wir erfahren, dass Wilhelm Trübner nach einem kurzen erfolglosen Ausflug in die Historienmalerei schließlich mit den „Kartoffelacker bei Weßling” eine Goldene Medaille 2.Klasse gewinnt. Und dass Walter Leistikow, als Maler der märkischen Landschaft bekannt, nicht der einzige Künstler seiner Zeit ist, der mit seinen subjektiven Landschaftsansichten Kaiser Wilhelm II. verärgert: „Er hat mir den ganzen Grunewald versaut.”
Abschied vom Gemüt
Die Ausstellung
Aus Paris & Hamburg
Die Kunsthalle Bielefeld zeigt über 180 Werke, darunter Leihgaben aus dem Pariser Musee d'Orsay, der Hamburger Kunsthalle und der Neuen Pinakothek. Die Schau läuft bis 28. Februar 2010. Di, do, fr und so von 11 bis 18 Uhr, mi von 11 bis 21 Uhr, sa von 10 bis 18 Uhr. Katalog: 24,95 Euro.
So erscheint einem die in Bielefeld gepriesene künstlerische Revolution der deutschen Impressionisten vor allem wie eine zersprengte Bewegung kleiner Rebellentrüppchen, die von München bis Berlin mit lebhaftem Pinselstrich und farbigem Lichtempfinden gegen das konservative Kunstdiktat anmalen. Der Kaiser will die glatte, huldigende Inszenierung des Schönen, Wahren und Mächtigen, statt schuftende Steinbrucharbeitern und Mönche, die Gottfried Kuehl in der andächtigen Atmosphäre der Salzburger Peterskirche mit einem Putzlappen herumwischen lässt.
So subjektiv und frei Kuehl & Co. ihre Welterfahrungen dabei auch auf die Leinwand werfen, vom Motiv und einer Bildaussage, vom tieferen „Inhalt” zugunsten kulinarischer Optik lösen mögen sie sich noch nicht. Selbst wenn Corinths „Garten in Berlin-Westend” und Liebermanns „Nutzgarten in Wannsee nach Nordwesten” längst das formlose Flirren in sich tragen.
So bleibt den deutschen Impressionisten nur wenig Zeit, als modern zu gelten. Anfang des 20. Jahrhunderts kommen die Expressionisten, um mit ihren kräftigen Farben und der radikalen Form die Kunstwelt endgültig zu erneuern. Der Abschied vom Gemüt.