Duisburg. . Nouruldin Saied macht ein Praktikum in Duisburgs Lehmbruck-Museum, als Teil eines Kunstprojekts. Der syrische Flüchtling hat schon viel probiert.

Er war Kameramann beim syrischen Fernsehen, über drei Jahre lang hantierte Nouruldin Saied mit Kameras von Canon, Sony, Panasonic für Nachrichtensendungen, und das hat ihm am besten gefallen, auch weil es Teamarbeit war. Er hat aber auch Politikwissenschaften studiert. Das hat ihm weniger gefallen, dann hat er ein zweites Abitur gemacht, damit er Jura studieren kann. Es war der Traum seines Vaters, dass Nouruldin einmal Richter wird: „Aber in Syrien sind die Arbeitsbedingungen für Richter schwierig“, umschreibt er das Unrechtsregime in seinem Heimatland. Er ist heilfroh, dass das in Deutschland anders ist, und überhaupt: „Hier ist der Alltag viel strukturierter, hier kann man wenigstens was planen!“.

Der 25-jährige Nouruldin, der sich hier in Deutschland noch lieber Felix rufen lässt, hat in Syrien schon als Gebäudetechniker gearbeitet, als Verkäufer, als Barkeeper. Drei Jahre lang hat Felix auch geschneidert: „Wenn ich gestresst bin, fange ich noch heute gerne an zu nähen. Mein Vater war Beamter, aber bei zehn Kindern hat das Gehalt nicht ausgereicht, deshalb hatten wir auch eine Schneiderei.“

Die Familie wiedersehen

Einer seiner Brüder ist im Krieg verletzt worden, ein anderer wurde inhaftiert, nachdem man ihn entführt hatte, über sein Schicksal weiß Felix nichts. Aber er will auf keinen Fall riskieren, zur Armee eingezogen zu werden – dass er sich mit 21 Jahren vom Wehrdienst freigekauft hat, interessiert heute vielleicht niemanden mehr. Er kann sich deshalb nicht mehr vorstellen, dass er nach Syrien zurückgeht – obwohl er sich sehr danach sehnt, seine Familie wiederzusehen, „meine Mama“. Sein größter Wunsch? „Frieden! Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“

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Er weiß, dass er sein Deutsch noch weiter verbessern muss, und liest deshalb deutsche Romane, zuletzt „Sophia oder der Anfang aller Geschichten“ von Rafik Schami, der ja auch aus Syrien stammt, aber längst auf Deutsch schreibt. Schamis Buch „Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte“ über dessen Anfänge als Erzähler hat Felix in seinem Deutschkurs vorgestellt. Ja, er hat schon einmal gehört, dass Deutsche fragen, „warum kommt der hierher und nutzt uns aus?“, aber: „Es gibt auch viele nette Leute, besonders im Museum, da grüßen einen viele Menschen“. Dass dort moderne Kunst à la Lehmbruck gezeigt wird, hat ihn überrascht: „In Syrien geht es im Museum immer nur um alte Kunst, die neue findet man in Galerien“. Deshalb hatte er eigentlich noch nie welche gesehen. Und sich gleich gefragt, was diese Kunst bedeuten soll.

Mitarbeit an einem Theaterprojekt in Greifswald

Das Praktikum im Lehmbruck-Museum ist nicht sein erstes in einem Kulturbetrieb; in Greifswald, wohin man ihn nach der Erstaufnahme 2015 in Hanau geschickt hatte, arbeitete er an einem Theaterprojekt mit. Der Greifswalder Lokalsender drehte eine Reportage darüber – da hat er „seine“ Kamera, die er aus Syrien kannte, wiedergetroffen.

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Sein Onkel war Zahntechniker, und auch bei dem hat Felix schon mal ausgeholfen, deshalb würde er auch in Deutschland am liebsten in diesem Bereich arbeiten. Er ist aber auch bereit, als Kameramann, als Dolmetscher oder als Sanitäter zu arbeiten. Außerdem repariert er gern Handys. Er fürchtet allerdings, dass viele Arbeitgeber glaubten, er könne sich Deutschen gegenüber nicht verständlich machen oder sie missverstehen: „Wenn die meinen ausländischen Namen sehen, winken sie wahrscheinlich schon ab.“ Aber er will einfach nicht tatenlos zu Hause mit seiner Frau herumsitzen. Und schon gar nicht warten, bis ihm jemand sagt, was er tun soll.

200 Bewerbungen, 143 Absagen

Nach über 200 Bewerbungen und 143 Absagen musste Felix allerdings schon ein wenig gegen die Resignation ankämpfen, dabei ist er eigentlich fröhlich und rundweg optimistisch. Immerhin: Nicht zuletzt durch sein Praktikum im Lehmbruck-Museum hat er nun seit Anfang des Jahres einen Ausbildungsplatz als Zahnarzthelfer.