Leeuwarden. . Leeuwarden soll gemeinsam mit dem maltesischen Valletta im kommenden Jahr der kulturelle Mittelpunkt Europas werden. Noch wird fleißig gewerkelt.

Friesland ist nicht gerade das Katalonien der Niederlande, aber doch die eigenständigste der zwölf Provinzen unserer Nachbarn. Friesland hat viel Nordseeufer, aber kaum Strände, die grünen Wiesen fransen beinahe direkt ins Wattenmeer aus. Deshalb lockt der Landstrich weit weniger Badegäste als die Westküste, hier kommen die Belgier hin, denen die eigene Nordseeküste zu verbaut ist, und Deutsche, die eine Alternative zu Ostfriesland mit hübscheren Häusern suchen.

Aber Friesen sind sie hier auch durch und durch, Friesisch ist Amtssprache in „Fryslân“, wie es auf Friesisch heißt, das heutzutage von immerhin noch 350.000 Menschen gesprochen wird. Und Fryslân wird gemeinsam mit seiner Hauptstadt Leeuwarden (sprich: Le-uwarden, mit einem eher gehauchten „u“) Europas Kulturhauptstadt des Jahres 2018 sein, gemeinsam mit Valletta auf Malta.

Essen und das Ruhrgebiet als Vorbild

Als sich Leeuwarden 2013 in den Niederlanden beim Rennen um den Kulturhauptstadt-Titel gegen die Konkurrenz der klassischen Kulturstädte Den Haag, Eindhoven, Utrecht und Maastricht durchsetzte, waren nicht wenige Beobachter überrascht. Aber Leeuwarden hatte sich Essen und das Ruhrgebiet zum Vorbild genommen, als man sich 2008 an die Bewerbung machte: eine ganze Region mit einer Stadt als Fahnenträger vorneweg. Die Klammer der gesamten Bewerbung war die friesische Kultur und Eigenständigkeit. Und das Programm sollte von unten auf erarbeitet werden, mit den Kulturschaffenden vor Ort und nicht von oben verordnet. So jedenfalls, wie im Revier, der hehre Vorsatz.

Das neue Friesland-Museum am Marktplatz von Leeuwarden. Die 18 Millionen Euro für den Bau stiftete ein Architekt in seinem Testament.
Das neue Friesland-Museum am Marktplatz von Leeuwarden. Die 18 Millionen Euro für den Bau stiftete ein Architekt in seinem Testament. © Ruben van Vliet Fotografie

Aber wie in so vielen Kulturhauptstädten Europas wird jetzt, kurz vor dem offiziellen Eröffnungswochenende am 26. und 27. Januar, doch die Zeit ein wenig knapp. Halb Leeuwarden ist nämlich noch eine Baustelle, vor dem Bahnhof, an der Nieuwestad-Gracht, überall sind Straßen und Pflaster der 100.000-Einwohner-Stadt aufgerissen – man will sich ja extrafein machen für das nächste Jahr. Leeuwarden ist eine Art Mini-Amsterdam, mit Grachten und den typisch holländischen Stadthäusern, die sich aneinanderzuschmiegen scheinen. In den Erdgeschossen viele schnuckelige Ladenlokale, von denen allerdings auch hier wechsel- und konjunkturbedingt rund jedes zehnte leersteht oder umgebaut wird. Immerhin gibt es schon Kulturhauptstadt-Käse und -Tassen zu kaufen.

Eine junge Stadt, die sich im Umbau befindet

Als Sitz der Provinzverwaltung ist Leeuwarden eine Stadt der Angestellten und Beamten, aber auch der Studenten – 15.000 besuchen die hiesigen Fachhochschulen, und schon die enorme Zahl der Plattenläden links und rechts der Grachten deutet auf eine recht junge Stadt, die sich im Umbau befindet: Aus dem alten Postamt ist das nobel-schicke Post Plaza Hotel geworden, aus dem alten Gefängnis in der Stadtmitte wird ein Kulturzentrum, das coole Szene-Restaurant dazu („Proefverlof“) mit ambitionierter Speisekarte ist schon fertig.

Das 302 Jahre alte Rathaus mit einer Galerie der niederländischen Könige und Königinnen ist allerdings noch in Gebrauch, und Bürgermeister Ferdinandus Crone von der Arbeitspartei, den hier alle nur Ferd nennen, sagt stolz: „Ich arbeite immer noch in dem originalen Amtszimmer, das ist Nachhaltigkeit!“ Leeuwarden eine der vielen Stadtgründungen des Mittelalters in Friesland, das mit Fischerei und Seehandel einst so sehr prosperierte, dass es zeitweilig der Sitz des Königshauses war. Irgendwann ging allerdings der Zugang zum heute gut zwölf Kilometer entfernten Meer verloren. Was blieb, war das bis heute recht ausgeprägte Selbstvertrauen der Menschen hier.

Heimat der sagenumwobenen Mata Hari

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So arbeitet man denn auch recht offensiv mit der Tatsache, dass die als Tänzerin und Spionin nach wie vor sagenumwobene Mata Hari ausgerechnet in Leeuwarden 1876 als Margaretha Zelle das Licht der Welt erblickte oder dass auch der begnadete Zeichner von Vexierbildern Maurits Cornelis („M.C.“) Escher hier zur Welt kam. Beiden widmet das Friesland-Museum am zentralen Marktplatz, das vor 140 Jahren gegründet wurde, die größte Regionalsammlung der Niederlande besitzt und vor vier Jahren für 18 Millionen Euro einen spektakulär schönen, lichten Neubau bekam, jeweils eine große Ausstellung.

Noch bekannter ist allerdings die „Elfstedentocht“, die Elf-Städte-Fahrt durch Friesland, die immer dann stattfindet, wenn die Kanäle der Region so sehr zufrieren, dass man mit Schlittschuhen darüberfahren kann. Die letzte Elfstedentocht fand 1997 statt, und da es in Zeiten des Klimawandels sein kann, dass es tatsächlich die letzte Elfstedentocht bleibt, werden die Städte der Rundfahrt im Kulturhauptstadt-Jahr durch eine weitere Gemeinsamkeit verbunden: Sie alle bekommen einen Brunnen, den jeweils ein international renommierter Künstler gestaltet hat. Jaume Plensas Nebel-Brunnen wird in Leeuwarden die Kulturhauptstadt-Gäste am Bahnhof empfangen. Aber noch ist hier ja nur das Pflaster aufgerissen.